Eine Rezension zu:
Kersting/Meyer-Lindemann/Podszun
Kartellrecht
Europäisches und Deutsches Recht
Kommentar
5. Auflage
München: C.H.Beck, 2025, Buch, XX, 2708 S. Hardcover (In Leinen), 399,00 Euro
ISBN 978-3-406-77254-2
Der seit langen Jahren eingeführte Kommentar kommentiert das gesamte Kartellrecht auf höchstem Niveau. Die Erläuterungen gelten gleichermaßen dem verbliebenen nationalen Kartellrecht als den europarechtlichen Regelungen nebst den Freistellungsverordnungen, die hier insgesamt kommentiert werden. Die Neuauflage wertet wie bisher die Rechtsprechung umfassend aus und analysiert diese kritisch mit Bezug auf die Erfordernisse der Praxis.
- Art. 101 AEUV
- Art. 102 – 106 AEUV
- Gruppenfreistellungsverordnungen (Vertikal-GVO, TTGVO, Spez-GVO, FuE-GVO, Kfz-GVO)
- Kartellverfahrensverordnung
- Fusionskontrollverordnung
- Versicherung und Banken
- Verkehr
- Landwirtschaft
- Digital Markets Act (DMA)
- GWB
Die 5. Auflage berücksichtigt u.a. die 11. GWB-Novelle, das Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz, den Digital Markets Act sowie die aktuelle Rechtsprechung.
Die 9. – 11. GWB-Novellen haben das Kartellrecht erheblich verändert, was sich in einer letztlich neu geschriebenen 5. Auflage ausdrückt. Besonders berücksichtigt wird das Thema digitale Ökonomie. Bahnbrechende Änderungen betreffen die Fusionskontrolle, das Bußgeldrecht und den Verbraucherschutz. Alle Änderungen sind Gegenstand dieser Kommentierung. Es ist im GWB oft so, dass eine Neuauflage die Vorauflage nahezu völlig obsolet macht. Es handelt sich daher um eine überwiegend neu geschriebene Kommentierung.
Jede GWB – Novelle ist in gewisser Weise eine Bestandsaufnahme der Wirtschaftspolitik auf dem Stand der jeweiligen Novelle. Es geht dabei um die Festlegung jener Regeln die mindestens funktionieren müssen, damit ein marktwirtschaftlicher Wettbewerb funktioniert. Die 11. GWB – Novelle nimmt erhebliche Änderungen vor, da erhebliche und dauerhafte Störungen des Wettbewerbs auch ohne nachgewiesenen Rechtsverstoß untersucht werden dürfen. Eine Erweiterung der Kompetenzen des Bundeskartellsamtes ist Bestandteil dieser Novelle bis hin zur Entflechtung. Zur Nutzung dieser neuen Befugnisse bedarf es zunächst einer Sektoruntersuchung, für die eine Sollfrist von 18 Monaten vorgesehen ist. Die Sektoruntersuchung endet mit einem Abschlussbericht, an dessen Veröffentlichung eine weitere 18-monatige Sollfrist für etwaige Folgemaßnahmen anknüpft.
Im Anschluss an eine Sektoruntersuchung kann das Bundeskartellamt in einem zweiten Schritt eine Wettbewerbsstörung feststellen. Eine solche Verfügung ergeht gegenüber bestimmten Adressaten – den potentiellen Adressaten von Maßnahmen – und kann von diesen angefochten werden. Die Störung muss erheblich und fortwährend sein – d. h. seit drei Jahren bestehen und voraussichtlich zumindest weitere zwei Jahre andauern – und die bisherigen Befugnisse dürfen nach einer prima facie-Bewertung nicht ausreichen, um die Störung wirksam und dauerhaft zu beseitigen. Die Adressaten müssten jeweils durch ihr Verhalten und ihre Bedeutung für die Markstruktur zu der Störung wesentlich beigetragen haben. Diese Verfahren können sich über Jahre hinziehen und die Rechtsschutzmöglichkeiten werden in diesem Kommentar vertieft behandelt.
In einem dritten Schritt besteht für das Bundeskartellamt die Möglichkeit, gegenüber den Adressaten der zuvor getroffenen Feststellungsverfügung Abhilfemaßnahmen anordnen, um die Störung zu beseitigen oder zu verringern. Soweit Abhilfemaßnahmen die Veräußerung von Unternehmensteilen zum Gegenstand haben, gelten weitere Voraussetzungen. Die Beschwerde gegen Abhilfemaßnahmen jeglicher Art hat aufschiebende Wirkung.
Die Durchsetzung des Digital Markets Act (DMA) soll durch den neuen § 32g gestärkt werden. Kern dieser Vorschrift ist die Einräumung einer Ermittlungsbefugnis für das Bundeskartellamt zur Untersuchung möglicher Verstöße gegen Art. 5, 6 und 7 DMA durch bereits benannte Gatekeeper. Die Regelungen des DMA gelten unmittelbar und sind direkt anwendbar; ihre Einhaltung bedarf der Überwachung durch die Behörden. Die allein für die Durchsetzung des DMA zuständige Europäische Kommission kann durch Ermittlungsbefugnisse der nationalen Wettbewerbsbehörden sinnvoll unterstützt werden. Sinn und Zweck der Ermittlungsbefugnis ist es neben der Unterstützung der Europäischen Kommission zudem, eine Abgrenzung von Verfahren unter dem DMA und Verfahren nach nationalem sowie europäischem Wettbewerbsrecht zu ermöglichen.
Weitere Gesetzesänderungen erklären das Bundeskartellamt auch für die Mitwirkung an Verfahren der Europäischen Kommission unter dem DMA zur zuständigen Wettbewerbsbehörde. Darüber hinaus wird mit Änderungen in §§ 33 ff. die private Rechtsdurchsetzung der Verpflichtungen aus dem DMA gestärkt.
Mit der Novelle werden die Voraussetzungen für eine Vorteilsabschöpfung abgesenkt, um die Durchsetzung in der Praxis zu verbessern. In § 34 Absatz 4 wird eine Vermutung eingeführt, wonach durch einen Kartellrechtsverstoß ein wirtschaftlicher Vorteil entstanden ist und dieser Vorteil mindestens 1 Prozent der Umsätze beträgt, die im Inland mit den Produkten oder Dienstleistungen, die mit der Zuwiderhandlung in Zusammenhang stehen, erzielt wurden. Eine Widerlegung der Vermutung soll nur möglich sein, soweit das Unternehmen nachweist, dass im relevanten Zeitraum keine Gewinne in entsprechender Höhe erzielt wurden.
Diese Novelle markiert auch einen gewissen Paradigmenwechsel, weil sie ihren Ausgangspunkt in der verstärkten Ermöglichung des private enforcement genommen hatte und mehr und mehr Unternehmen nehmen diese Möglichkeiten auch gezielt in Anspruch, um kartellrechtliche Ansprüche auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen. Es geht dabei um die bereits angesprochenen Schadensersatzansprüche, die einen Schwerpunkt der Neukommentierung darstellen, ausgehend von der EU-Kartellschadensersatzrichtlinie (2014/104/EU). Die verspätete deutsche Umsetzung erfolgte in den §§ 33 ff und 89 ff GWB und setzt nur vereinzelt deutsche Akzente. Mit der 9. GWB-Novelle werden im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft eine wirksame Fusionskontrolle und der Schutz vor Missbrauch von Marktmacht sichergestellt. Die Novelle erweitert zudem angemessen den Handlungsspielraum von Presseunternehmen.
Das Werk hat den Stand vom Dezember 2024.