Eine Rezension zu:
Haimo Schack
Internationales Zivilprozessrecht
Reihe: Großes Lehrbuch
9. Auflage
München: C.H. Beck, 2025, 674 S., 139,00 Euro
ISBN 978-3-406-82107-3
Grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten spielen eine erhebliche Rolle in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen. Soweit nicht Regelungen einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit vereinbart werden, stellt sich nach den Regelungen des internationalen Zivilprozessrechts die Frage nach den anwendbaren Rechtsregeln sowie der der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Gerichts. Angesichts der verzweigten Materie und einer Vielzahl möglicherweise einschlägiger Rechtsquellen bedarf es zu einer zeitökonomischen Lösung eines solchen Falles – auch und gerade in der Praxis – sowie einiger Systematik. Dieses Lehrbuch bietet auch nach einem Reihenwechsel vom „Kurzlehrbuch“ zu einem „Großen Lehrbuch“ einen solchen systematischen Leitfaden, um die zivilprozessualen Aspekte solcher Fälle klug zu bewältigen, auch im Studium. Es bietet aufgrund der kompakten Darstellungsweise auch der Praxis einen hohen Nutzen. Das Inhaltsverzeichnis präsentiert sich bereits als großes Lösungsschema für international – zivilprozessrechtliche Fälle, mit vielen Bezügen zum IPR. Es gibt keinen Konzeptionswechsel, aber viele Vertiefungen gegenüber dem Kurzlehrbuch.
- Brüssel IIb-VO
- die neuen Zustellungs- und Beweisaufnahmeverordnungen (EuZVO, EuBVO)
- das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ)
- das Haager Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen (HAVÜ)
- das Verbraucherrechte-Durchsetzungsgesetz (VDuG) in Umsetzung der Verbandsklagen-RL
- das neue Restrukturierungsrecht (StaRUG)
- die Reform des Zustellungsrechts sowie
- die Lockerung des deutschen Vorbehalts in § 14 AusfG zum HBÜ.
Das internationale Zivilprozessrecht wird hier sehr systematisch dargestellt und zwar so systematisch, dass der Gesamtaufbau des Buches quasi eine große Checkliste für Fallbearbeitungen darstellt. Die gesamte Darstellung wird von der Ausgangsüberlegung geprägt, dass eine angemessene Falllösung nur gelingen kann, wenn dem Bearbeiter klar ist, nach welcher Rechtsgrundlage sie zu lösen ist. Europäische Verordnungen, völkerrechtliche Regelungen und nationales Zivilprozesrecht sind je nach Fallgestaltung alternativ oder exklusiv anwendbar, wobei sich angesichts bestimmter Querverbindungen auch Regelungsüberschneidungen in Detailfragen ergeben können, von internationalprivatrechtlichen und materiellrechtlichen Fragen ganz zu schweigen. Um diese schwierige Materie anschaulicher zu machen, enthält das Buch zahlreiche Beispielsfälle, Checklisten und Hinweise zur Falllösung, die zeigen, wie man im konkreten Fall arbeiten sollte. Das Werk hat den Stand von Oktober 2024 bezieht alle Neuentwicklungen seit der Vorauflage ein.
Inhaltsübersicht:
- Grundlagen
- Rechtsquellen
- Völkerrechtliche Grenzen der Gerichtsbarkeit
- Erkenntnisverfahren
- Anerkennung und Vollstreckung.
- Insolvenzverfahren
- Schiedsgerichtsbarkeit.
Die vollständig aktualisierte und erweiterte Neuauflage berücksichtigt u.a. die zu den Änderungen der EuGVVO ergangene Rechtsprechung. Die Darstellung der EuGVVO ist eine vorbildliche Grundlegung zum europäischen Zivilprozessrecht, die wirklich alle wesentlichen Punkte behandelt. Weiter dargestellt werden ergänzende europäische Rechtsakte wie die EheEuGVVO, die EuGüVO und die EuErbVO, die alle im Detail erhebliche Problemlagen beinhalten, die nur mit Systematik gelöst werden können. Da das deutsche autonome Zivilprozessrecht von diesen Regelungen weitgehend verdrängt wird es im Überblick dargestellt, der auf die wichtigsten verbleibenden Anwendungsfragen eingeht. Der Band enthält eine sehr strukturierte Übersicht über den Bereich “Anerkennung und Vollstreckung”, der insbesondere das Zusammenspiel der verschiedenen Rechtsquellen transparent macht, wiederum ausgehend von der EuGVVO und eingehend auf die spezielleren Regelungen.
Die Darstellung geht konsequent von der europäischen Rechtslage aus und beschränkt sich bei der Darstellung des deutschen Rechts weitgehend auf eine Herausarbeitung der Unterschiede. Darüber hinaus orientiert sich die Darstellung an den Rechtsquellen, was die Handhabung für den Leser erheblich erleichtert, mag dies auf den ersten Blick auf komplizierter aussehen.
Nach einer Einführung in die Grundlagen und einer Vorstellung der Systematik der Rechtsquellen im ersten Teil, behandelt ein zweiter Teil die Grenzen der Gerichtsbarkeit im internationalen Kontext unter besonderer Berücksichtigung der zentralen Aspekte der Immunität. Ein Schwerpunkt des Bandes liegt auf der “Internationalen Zuständigkeit und zeigt wie diese ermittelt wird, um sodann auf die zentralen Aspekte der Brüssel I – VO zuzusteuern, die innerhalb der EU die maßgebliche Verfahrensordnung bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten darstellt und in allen ihrer Komplexität sehr plastisch erläutert wird. wobei die einzelnen Gerichtsstände sehr präzise vorgestellt werden. Die Brüssel IIa – VO zum internationalen Familienrecht wird näher dargestellt.
Die maßgeblichen Verfahrensgrundsätze der reformierten EuGVVO von Rechtshängigkeitssperren über Fragen der internationalen Zustellung bis hin zu Problemen der internationalen Beweisaufnahme werden dem Leser erläutert. Sehr lesenswert sind auch die Ausführungen über Anerkennung und Vollstreckung und zwar auch hier ausgehend von Brüssel I und II a, gefolgt von einem interessanten Überblick über die Verordnungen der zweiten Generation, womit etwa die EuVTVO, die EuMVVO und das Bagatellverfahren gemeint sind, gefolgt von einer Darstellung der einschlägigen Regelungen der ZPO.
Die weiter höchst exzellente und sehr verständliche Darstellung ermöglicht eine sehr präzise Handhabung der internationalen Rechtsquellen und vornehmlich des europäischen Zivilverfahrensrechts bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten. Der Band ist für einen breiten Leserkreis von Interesse und ist höchst empfehlenswert.