Reichold/Weller, Das Arbeits- und Tarifrecht der katholischen Kirche, 2. Auflage, C.H.Beck, 2024
Eine Rezension zu:
Hermann Reichold/Benjamin Weller (Hrsg.)
Das Arbeits- und Tarifrecht der katholischen Kirche
2. Auflage
München: CH.Beck, 2024, 515 S. Kartoniert, 99,00 Euro inkl. MwSt.
ISBN 978-3-406-74910-0
Aus verfassungsrechtlichen Gründen haben die großen Kirchen in Deutschland ein relativ eigenständiges Arbeitsrecht, dass viele Besonderheiten enthält, die für Arbeitnehmer nicht immer positiv sind. Das Werk stellt dieses Arbeitsrecht lexikalisch dar, in 116 Stichwörtern, die die Abweichungen kenntlich machen. Es werden alle Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit dem Arbeitsrecht behandelt.
Es handelt sich um ein interessantes Praxishandbuch für Kirche und Caritas. Der Stoff wird in einem lexikalischen Aufbau von A (wie »Abmahnung«) bis Z (wie »Zuordnung zum kirchlichen Dienst«) systematisch erfasst, was einen schnellen Zugriff auf Lebenssachverhalte erlaubt und einen umfassenden Einstieg in die kirchenrechtliche Spezialmaterie, auch anhand der weiterführenden Hinweise.
- Beschlussfassung in der Mitarbeitervertretung
- Europarechtliche Einflüsse
- Digitalisierung der MAV-Arbeit
- Dienstpläne
- Freie Mitarbeit/Werkvertrag
- Mobiles Arbeiten/Homeoffice
- Kirchlicher Datenschutz
- Kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit
- Kurzarbeit
- Pflegekommission
- Präventionsordnung.
Der Band ist eine sehr wertvolle Hilfe für alle Dienstgeber im Bereich der katholischen Kirche und die dortigen Mitarbeitervertretungen sowie für Anwältinnen und Anwälte, die zum katholischen Arbeitsrecht beraten.
Studienbuch stellt kein Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts dar, sondern enthält eine Einführung in das historische Recht der Kirchen, das allerdings auf diesen Fundamenten beruht. Diese Materie wird in dieser Form nur noch selten dargestellt. Es gelingt dem Verfasser diese schwierige, zeitlich scheinbar weit entfernte Materie, transparent darzustellen.
Mit diesem Buch wird letztlich Grundlagenforschung betrieben, da diese Materie die europäische Rechtsentwicklung deutlich geprägt, in dem einem Land mehr, in anderen weniger, aber unberührt von dieser Materie war kein Land Europas. Ziel der Darstellung ist es auch, dass Aussterben dieser Disziplin, in der deutsche Wissenschaftler einmal führend waren, möglichst zu verhindern.
Um diese zu leisten greift der Verfasser weit aus, so dass die Darstellung sich gleichermaßen an interessierte Juristen und Historiker wendet und sich dem Spannungsfeld von Mittelalter und Moderne systematisch nähert und dabei besonders die Veränderungsprozesse untersucht. Das Buch behandelt nicht nur die Entwicklung des katholischen Kirchenrechts, sondern bezieht auch die protestantischen Kirchenrechte in die Darstellung ein. Es zieht letztlich eine Summe aus einem anderen Projekt, das unter dem Titel „Einfluss der Kanonistik auf die europäische Rechtskultur“ in sechs Bänden anderweitig erschienen ist.
Das Buch ist unterteilt in drei Hauptteile, denen eine hochinteressante Einleitung vorangestellt ist, die auch die vorhandenen methodischen Probleme offen legt und das Konzept erklärt sowie eine ausführliche Literaturübersicht bietet.
Der erste Hauptteil setzt bei der Entstehung der Christentums an und bietet eine Übersicht über die Entwicklung des kanonischen Rechts in der Spätantike, geht auf die Ausdifferenzierungen der Hierarchie und der Institutionen näher ein und enthält auch ein sehr interessantes Kapitel über Mönchtum, Bußpraktiken und das Eigenkirchenwesen mit einem Schwerpunkt auf dem iroschottischen Mönchttum und weist etwa auf die Vorbildfunktion des Klosters auf den schottischen Insel Iona hin. Weitere Schwerpunkte stellen die karolingische Reform, die Entstehung der kirchlichen Rechtstheorie im 9. und 10. Jahrhundert sowie das wichtige Decretum Gratiani und die päpstliche Gesetzgebung bis Avignon dar. Die Verlegung des Sitzes der Päpste von Rom nach Avignon mit den Schisma stellte eine entscheidende Zäsur für die Entwicklung des kanonischen Rechts dar.
Der folgende 2. Hauptteil behandelt die Kernstrukturen dieses bis in das 20. Jahrhundert geltenden kanonischen Rechts ausgehend von der Verfassung der Kirche, wobei auch auf die entscheidenden Machtstrukturen und Machverhältnisse eingegangen wird, da das kanonische Recht ein Mittel zum Zweck war. Darauf aufbauend erfolgte eine Darstellung des Prozessrechtes (hier war das kanonische Recht für spätere Prozessrechte besonders einflussreich) mit den Verfahrensarten (unter Einschluss des Inquisition), des Ehe- und Familienrechts und des Strafrechts der Sünder, ausgehend vom Schulddogma des kanonischen Rechts. Der prägende Einfluss dieser Strukturen liegt auf der Hand.
Der 3. und letzte Hauptteil führt in die Kanonistik der Neuzeit, geprägt vom Verlust der Übermachtsstellung der Kirche in einer Alternativität von Staat und Kirche, wobei sowohl die Konzilsbewegungen als auch die protestantische Reformation eingehend dargestellt werden. Der Band endet mit einer Darstellung der Gegenreformation, ausgehend vom Konzil von Trient. In diesem Stand der Gegenreformation hat die katholische Kirche lange verharrt und die Entwicklungen mündeten dann in den „Codex iuris canonici“ von 1917 ein, der damals längst überholte Rechtsinstitute wie die Notorietät noch regelte.
Der Band bietet eine sehr gute und kurzweilige Möglichkeit sich den Grundlagen des kanonischen Rechts systematisch zu nähern und stellt interessante Fragen.