M. Andrae, Internationales Familienrecht, 5. Aufl., 2024, Nomos
Eine Rezension zu:
Marianne Andrae
Internationales Familienrecht
5. Auflage
Reihe: NomosPraxis
Baden-Baden: Nomos-Verlag, 2024, 940 S., 99 Euro inkl. MwSt.
ISBN 978-3-7560-0057-9
Das internationale Familienrecht ist eine hochkomplexe Materie, die hier aus deutscher Sicht mit zahlreichen Ausblicken auf die Situation im Ausland dargestellt wird. Das Buch ist eine Mischung aus Einführung und profundem Handbuch, die sehr gelungen ist. Das Handbuch erörtert alle praxisrelevanten Aspekte der Familienbeziehungen mit Auslandsberührung, deren praktische Relevanz noch weiter zunehmen wird. Die sehr detaillierte und systematische Darstellung orientiert sich dabei an Sachproblemen wie Scheidung, Unterhalt oder Abstammung von Kindern. Es ist sehr erfreulich, dass in die Darstellung zahlreiche Fallbeispiele eingestreut sind, die das Verständnis dieser hochkomplexen Darstellung sehr erleichtern. Vorkenntnisse im Bereich des IPR erleichtern die Lektüre erheblich.
Da inzwischen etwa jede siebte Ehe Auslandsbezüge aufweist, nehmen Mandate mit Auslandsbezügen nicht nur in diesem Bereich deutlich zu. Dieses Werk hilft dem Rechtsanwender die damit verbundenen Probleme, zu bewältigen. Die Neuauflage, die erheblich erweitert wurde, geht neben den rechtlichen Fragen auf die tatsächlichen Verhältnisse ein, die sich erheblich gewandelt haben, etwa aufgrund der starken Migration nach Deutschland und anderen Ländern Europas.
Behandelt werden im systematischen Zusammenhang die Komplexe „Ehe und andere Partnerschaften“, „Eltern – Kind – Beziehungen mit Adoptionsrecht“ und „Unterhalt“. Ausgangspunkt der Darstellungen sind jeweils Sachprobleme, wie Scheidung, Unterhalt oder Abstammung. Vermehrt hat sich die Anzahl der Fallbeispiele, die die Materie verständlicher machen. Der Umfang ist angesichts der zahlreichen Rechtsänderungen in diesem Bereich erneut deutlich angestiegen.
Verändert haben sich im Vergleich zur Vorauflage aus dem Jahr 2019 auch die Rechtsrahmen, der von einer starken Europäisierung gekennzeichnet ist. So geht das Werk jetzt eingehend auf die seit dem 29.01.2019 anwendbaren beiden Güterrechtsverordnungen ein, die erhebliche Abgrenzungsfragen zur Anwendbarkeit nationaler Regelungen nach sich ziehen. Es ist seit der ersten Auflage eine besondere Stärke dieses Werkes sich diesen Abgrenzungsfragen sehr systematisch zu widmen. Die beiden EU-Güterrechtsverordungen gehen über das deutsche Verständnis des Güterrechts hinaus und betreffen nahezu alle Vermögensbeziehungen zwischen Ehepartnern oder eingetragenen Partnerschaften, soweit es nicht um Unterhalt, den Versorgungsausgleich oder Erbangelegenheiten handelt, die unter die EUErbVO fallen können. Eingegangen wird auch auf Übergangsregelungen.
Die Neuauflage ist sehr stark von den EU – Harmonisierungstendenzen geprägt. Die Harmonisierung der europäischen Rechtssysteme schreitet auch im Familienrecht voran, u.a. durch die neue Brüssel IIb-Verordnung, die eingehend eingearbeitet ist.
Das bewährte Praktikerhandbuch zum internationalen Familienrecht führt sicher durch die Materie, auch bei schwierigen grenzüberschreitenden Fallkonstellationen.
Die 5. Auflage wurde gründlich überarbeitet, der praxisnahe Ansatz beibehalten: Rechtsgrundlagen und praktische Umsetzung werden durch zahlreiche Fallbeispiele und -varianten anschaulich und nachvollziehbar.
Die Neuauflage umfasst u.a.:
• die neue Brüssel IIb-Verordnung in Ablösung der Brüssel IIa-VO mit der Möglichkeit außergerichtlicher Einigungen in Scheidungsverfahren
• die Auswirkungen der EuGüVO
• die Neuregelungen im EGBGB in Art, 24 zu Betreuung, Vormundschaft, Pflegschaft und Ehegattennotvertretungsrecht
• die neuen Regeln für Auslandsadoptionen
• die umfangreiche Rechtsprechung (u.a. zum Unterhalt und zur Abstammung).
Seit der Vorauflage im Jahr 2019 hat sich die Rechtslage des IPR in Europa erheblich verändert, bei meist ähnlichen Problemstellungen von den Sachverhalten her. Das autonome internationale Verfahrenrechts wurde mit dem FamFG eigenständig geregelt, findet aber auf EU – Sachverhalte zwischenzeitlich keine Anwendung mehr, weil ein Vorrang des spezifischen Regimes des EU – Rechts besteht, dass hier sehr intensiv erörtert wird. Die Ausführungen konzentrieren sich auf die gegenwärtige Rechtslage unter detaillierter Auswertung der Rspr. Allerdings wird an einigen Stellen auch auf noch nicht realisierte Reformpläne eingegangen. Intensiv eingegangen wird auf die EU – UnterhaltsVO, die eng mit dem Haager Unterhaltsprotokoll verzahnt ist.
Einen Schwerpunkt der Darstellung bildet die Brüssel IIb-VO, die das Scheidungskollisionsrecht völlig anders geregelt hat als dies bisher der Fall war. Die Regelungen sind schwierig, da schlecht formuliert und ausufernd (105 Artikel, 99 Erwägungsgründe und 10 Anhänge). Intensiv eingegangen wird auf die kritischen Zuständigkeitsbestimmungen der GüterrechtsVOen.
Erörtert wird auch die europäische Unterhaltsverordnung. Selbstredend berücksichtigt ist auch das Haager Abkommen zum internationalen Familienrecht, dem inzwischen mehr als 40 Staaten beigetreten sind, nebst dem Haager Unterhaltsabkommen von 2007 sowie dem Haager Kinderschutzübereinkommen, das am 01.11.2011 nach langer Vorlaufzeit endlich in Kraft getreten ist. Zu erörtern war schließlich auch das deutsche Auslandsunterhaltsgesetz. Dieser Materie wird nunmehr größerer Raum in der Neuauflage gewidmet.
Die Rechtslage in diesem Bereich ist nicht einfacher geworden, zumal etliche Entscheidungen ergangen sind, bei denen jeweils zu prüfen ist, ob sie auf die aktuelle Rechtslage noch anwendbar sind, wenn man sie heranziehen will. Vollständig erfasst werden die zahlreichen Entscheidungen des EuGH zur EheVO (EU) sowie zur Anerkennung und Vollstreckung nach der EuGVVO, deren Möglichkeiten manche Unterhaltsschuldner insbesondere “unterschätzen”. Die Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung ist mitunter durchaus kritisch, so dass auch neue Lösungsvorschläge präsentiert werden, insbesondere wenn die Rechtsprechung zu bestimmten neueren Regelungen noch nicht Stellung nehmen konnte.
Intensiv eingegangen wird auf die Veränderungen im autonomen internationalen Familienrecht und den Wegfall der Art. 3a, 15 und 16 EGBGB aufgrund der EU-Güterrechtsverordnungen. Sie geltend aber nach wie vor für “Altfälle”, so dass diese Regelungen weiter erörtert werden. Immer noch nicht völlig einschätzbar sind die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem “Brexit” trotz des bestehenden Vertrages mit der EU. Insgesamt ist die Darstellung sehr problemorientiert und nimmt als führende Darstellung in diesem Bereich auch Einfluss auf die Lösung von Streitfragen.
Das Lehr – und Handbuch ermöglicht insbesondere Praktikern eine eingehende Orientierung im internationalen Familienrecht, ausgehend von familienrechtlichen Sachproblemen. Die Informationsdichte ist erneut sehr beeindruckend. Es handelt sich um eine der interessantesten Darstellungen dieser Art.