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Rezensionen juristischer Literatur

Handkommentar zum europäischen Primärrecht

Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmair, EUV – AEUV, Kommentar, 7. Aufl, 2023, C.H.Beck

 

Eine Rezension zu:

Abbildung von Geiger / Khan | EUV / AEUV | 7. Auflage | 2023 | beck-shop.de

Rudolf Geiger/Daniel-Erasmus Khan/Markus Kotzur/Lando Kirchmair

EUV – AEUV 

Vertrag über die Europäische Union

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Kommentar

7. Auflage

München: C.H.Beck, 2023, 1368 S., 179 Euro inkl. MWSt

Das Werk ist Teil der Reihe: Gelbe Erläuterungsbücher

ISBN 978-3-406-76267-3

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Der Vertrag über die Europäische Union und der Vertrag über die Arbeitsweise der Euroäischen Union stellen zusammen mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1.Dezember 2009 die entscheidenden Primärrechtsgrundlagen der EU dar. Die Neuauflage dieses eingeführten Kommentars stellt auch eine Bestandsaufnahme der jetzigen Rechtspraxis dieser beiden Verträge dar. Die EU war mit diesen Verträgen in eine neue Phase eingetreten, die letztlich eine Verfassung der EU darstellt, auch wenn sie als solche nicht bezeichnet wird. Die Verzahnung des Sekundärrechts mit dem Primärrecht ist noch enger geworden, so dass oftmals auf die Primärrechtsgrundlagen zurück zu kommen ist, auch wenn sich das Primärrecht oftmals unverbunden und ohne Abstimmung im Detail in zunehmender Fragmentierung ergeht. Bereits die Bestandsaufnahme aus der Vorauflage ging in diese Richtung. Jean – Claude Junkers Verdikt der „Polykrise“ hat sich inzwischen bekanntlich noch ausgeweitet.

In dieser Situation bietet die siebte Auflage dieses Standardwerks – wie immer – eine sehr verlässliche und praxisorientierte Grundlage für eine systematische Arbeit mit diesen Verträgen und der Grundrechtecharta, zumal der Einfluss des europäischen Primärrechts weit reicht, bis in die Verästelungen des Sekundärrechts und der Verbindung mit den je nationalen Rechten der Mitgliedstaaten. Zwar lassen sich zahlreiche Vorgänger – Normen im Text erkennen, doch stehen sie teilweise in anderen Zusammenhängen und sind auch anders zu interpretieren. Die Kommentierung trägt der Textgeschichte durchgehend Rechnung und zeigt auf, dass die Verträge an systematischer Geschlossenheit gewonnen haben und sich zu einem Gebilde Sui Generis verdichtet haben, das den – nach wie vor zu verzeichnenden – Erfolg der EU ausmacht, mögen Bruchlinien, Restriktionen und Widersprüche auch nicht zu verkennen sein, insbesondere nicht im Rahmen der COVID19 – Krise und den Herausforderungen durch den Krieg der Russischen Republik gegen die Ukraine, die sich als erster Staat aus dem Sowjetimperium herausgelöst hatte und als Staat mit starker Westbindung zu betrachten ist. Neben den entscheidenden Rechtstexten werden auch die maßgeblichen Protokolle in diesem Kommentar dokumentiert unter Einschluss der Grundrechte-Charta der EU.

Das Recht der EU ist für die deutsche Rechtspraxis von großer Bedeutung. Die Richtlinienkompetenz des Europäischen Rates greift tief in nationale Bereiche ein; die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs determiniert das deutsche Rechtssystem. Der bewährte Kurzkommentar bietet einen fundierten Überblick über das Europäische Primärrecht auf dem Stand des Vertrages von Lissabon. Das einschlägige Sekundärrecht der Verordnungen und Richtlinien wird an allen relevanten Stellen berücksichtigt.

Die Erläuterungen sind sehr kompakt, praxisnah und bewegen sich auf einem hohen Argumentationsniveau. Der Brexit wird vollumfänglich mit dem Vertrag zwischen der EU und dem UK berücksichtigt.

Die Neuauflage bringt das Werk auf den Rechtsstand August 2022. Sie berücksichtigt alle neuen relevanten Entscheidungen. Zudem wird die neueste Literatur entsprechend ausgewertet und beachtet. Die Auswirkungen des Brexits werden u.a. im Rahmen der Kommentierung des Rechts auf Austritt (Art. 50 EUV) vollumfänglich erörtert.

Das Standardwerk bietet eine umfassende und systematische Darstellung, verfasst von ausgewiesenen Experten, nachdem dieser Kommentar vor 30 Jahren von Rudolf Geiger begründet wurde. Die Erläuterungen behandeln nunmehr den Brexit, die Corona-Pandemie sowie die BVerfG-Entscheidung zur ­Kompetenzwidrigkeit der Beschlüsse der EZB zum Staatsanleihenkaufprogramm.
Der eingeführte Kommentar erläutert den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ­besonders übersichtlich und systematisch. Die Europäische Grundrechtecharta ist ebenfalls berücksichtigt. Erfasst ist daher auch die Rechtsprechung der nationalen Gerichte, darunter die Entscheidungen des BVerfG, soweit sie für das Primärrecht Relevanz aufweisen.
Die siebte Auflage geht auf alle aktuellen Entwicklungslinien, da die Grundsatzdebatten um die EU weiter an halten und sich derzeit sogar vertiefen, etwa im Verhältnis der EU zur NATO, nachdem die EU das Ukraine-Problem jahrelang nicht angemessen behandelt hat und geopolitisch vielleicht versäumt hat, sich einen Zugang zum „Schwarzen Meer“ als Möglichkeit, etwa im Rahmen des EWR zu schaffen. Neben der Bewältigung der Folgen von Brexit und Corona-Krise besteht weiterhin die Notwendigkeit von Reformen im Euroraum und im Bereich der Migrations- und Sicherheitspolitik. Ein besonderes Thema sind die angesichts der COVID19-Krise erfolgten Varianten von Grenzschließungen, die dem Konzept der „ever closer Union“ eklatant widersprechen. Finanzierungsfragen und Beihilfen spielen eine immer größere Rolle. Auch die Impfstoffbeschaffungsstrategien sind intensiv behandelt. Überall hat sich der Ton im europapolitischen Diskurs – unter Einschluss der neuen Kriegsrhetorik – verschärft. Wissenschaftliche Diskussion wird hier sehr meinungsoffen gestaltet.
Im Spiegel der wissenschaftlichen Debatte setzen sich die Autoren praxisnah mit dem Unionsrecht und der diesbezüglichen Rechtsprechung auseinander.

Es ist ein deutliches Anliegen der Kommentierung Zusammenhänge und Verknüpfungen mit den Werten, Zielen und Maximen des europäischen Primärrechts hervortreten zu lassen, gerade auch mit Blick auf die Charta der Grundrechte. Der Kommentar untersucht den Text mit den Methoden objektiver Auslegung, so dass die Debatten im Verfassungskonvent und der Verlauf der Regierungskonferenzen nicht detailliert nachgezeichnet werden. Der Text selbst ist die primäre Grundlage der juristischen Arbeit und hat sich von den subjektiven Elementen längst weitgehend abgelöst. Nicht anders verfährt auch der EuGH meist in der Arbeit mit dem Primärrecht. Es liegt auf der Hand, dass die bisherige Rechtsprechung des EuGH komplett in die Kommentierungen eingearbeitet sind. Die Kommentierungen sind sehr systematisch und strukturiert und erlauben eine rasche, problemorientierte Arbeit mit dieser sehr interessanten Kommentierung.

Der Band versammelt das Primärrecht vollständig, so dass auch alle Protokolle und Anhänge berücksichtigt werden.

Die Kommentierungen ist vor dem Hintergrund eines Europas im Aufruhr als Bestandsaufnahme mit Zukunftsperspektiven zu verstehen.

Ohne weiter auf die Details eingehend zu wollen, erscheint die aktuelle Neuauflage des Kommentars zum richtigen Zeitpunkt. Die Kommentierung erläutert die Grundlagen, die Regelungsstrukturen und die Systematik des Unionsrechts und liefert ohne Umschweife die juristischen Argumentationslinien zu den neuesten Entwicklungen, wobei bestimmte Entwicklungen auch kritisch hinterfragt werden. Artikel für Artikel werden der Vertrag über die Europäische Union (EUV), der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie die Grundrechtecharta mit einem Blick auf diese Herausforderungen analysiert.

Die Kommentierungen sind in allen Bereichen auf dem neuesten Stand und bieten das juristische Rüstzeug für die Beurteilung der verschiedenen Krisenszenarien, die dringend gelöst werden müssen. Der Blick der Erläuterungen ist stets auf die Anwendung in der Rechtspraxis gerichtet, ohne auf wissenschaftliche Analyse zu verzichten.

Die 7. Auflage ist eine unverzichtbare Informationsquelle für jeden Wissenschaftler und Praktiker des Europarechts, für Rechtsanwälte, Richter, Verwaltungsjuristen, aber auch für Referendare und Studenten.

Die Kommentierung ist sehr kompakt und bietet auf überschaubaren Raum alle wesentlichen Informationen zur Arbeit mit dem europäischen Primärrecht.

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