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Rezensionen juristischer Literatur

Kommentar zum Infektionsschutzgesetz

A. Kießling (Hrsg.), Infektionsschutzgesetz. Kommentar, 3. Auflage, 2022, C.H.Beck

 

Eine Rezension zu:

Abbildung von Kießling | Infektionsschutzgesetz: IfSG | 3. Auflage | 2022 | beck-shop.de

Andreas Kießling (Hrsg.)

Infektionsschutzgesetz – IfSG

Kommentar

Das Werk ist Teil der Reihe: Gelbe Erläuterungsbücher

Dritte Auflage

München: C.H.Beck, 2022, Buch. XXIV, 907 S., 139,00 Euro (inkl. MwSt.)

ISBN 978-3-406-78910-6

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Das IFSG ist erst durch die COVID-19-Krise einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden, so dass die inzwischen dritte Auflage dieses Kommentars erneut von höchster Aktualität ist, auch wenn sie – wie nicht – eine Auflage vor den nächsten Änderungen des IfSG ist, die sich gerade abzeichnen. Der Kommentar erläutert das gesamte IFSG mit den Meldepflichten und der epidemologischen Überwachung, den Präventionsnormen und Präventionsmaßnahmen, den Bereich der Tätigkeit mit Krankheitserregern und dem im Detail sehr umstrittenen Thema der Entschädigung in besonderen Fällen. Der Zeitpunkt des Erscheinens dieses Kommentar kann erneut nur begrüßt werden.

Aufgrund der Covid-19-Pandemie ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG) hochaktuell. Bevölkerung und Wirtschaft sahen sich bis zum 01. April 2022 behördlichen Maßnahmen von bisher nicht erreichter Tragweite und Intensität ausgesetzt, die streckenweise auf Unverständnis gestoßen sind. Rechtsgrundlage sind hier die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes mit seinen jüngsten Änderungen und Ergänzungen. Seit Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite – korrespondierend den Feststellungen auf EU-Ebene – ist dieses Gesetz mehrfach geändert worden. Die Kommentierung – deren Umfang entsprechend ansteigen musste – gibt fundierte Antworten auf jene Praxisprobleme, die das Dritte und Vierte Gesetz zur epidemischen Lage von nationaler Tragweite ausgelöst hat, auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten. Gesetzes- und Kommentierungsstand der 3. Auflage ist der Juni 2022. Wäre die – möglicherweise verfassungswidrige  – allgemeine Impflicht im Deutschen Bundestag beschlossen worden, hätte die Neuauflage dies aufgegriffen.

Sowohl im November und Dezember 2021 als auch im März 2022 wurde das IfSG jeweils in zentralen Punkten erneut grundlegend geändert. Die 3. Auflage erläutert all diese Neuerungen inkl. der einrichtungsbezogenen Impfpflicht (§ 20a), der sog. „Hotspot“-Regelung (§ 28a Abs. 8) und den Regelungen rund um die COVID-19-Zertifikate (§ 22a, § 75a) und ist damit auf dem aktuellen Stand der Pandemiegesetzgebung. Beispielsweise die Regelung des § 22 a zieht sich über vier Druckseiten Gesetzestext und ist entsprechend „bürgerfreundlich“ formuliert, so dass der Bürger eine Art Übersetzung benötigt, die dieser Kommentar eindeutig „liefert“. Die Definitionen von geimpften, genesenen und gestesteten Personen verblieb indessen in der SchAusnahmV. Diese Gesetzesänderungen werden im Schnellverfahren nach politischen Vorgaben geändert und haben oftmals auch eine entsprechende Qualität.

Im bewährten konzentriert-handlichen Stil der »gelben Kommentare« werden die Vorschriften des IfSG auf aktuellstem Gesetzesstand im Einzelnen wissenschaftlich präzise und praxisgerecht erläutert.

Die interessante Einführung dient der Klärung der Gesetzgebungsgeschichte vom Bundesseuchengesetz zum IfSG und erläutert auch die mit der Einführung verbundene, geänderte Konzeption dieses Gesetzes. Hier werden auch jene Gesetze aufgezeigt, die das IfSG ergänzen. Ohnehin führt die Gesetzesanwendung zu einer komplexen, für Bürger schwer nachvollziehbaren, Rechtsanwendung, bei der Bundesrecht, Landesrecht und Kommunalrecht ineinander greifen. Der Gesetzgeber hat bei den beiden letzten Reformgesetzen zahlreiche Kritikpunkte aufgegriffen. Die Einführung macht sich auch die Mühe, zu erklären, welche Bedeutung der Begriff Pandemie für das IFSG hat, deren Ausweitung zur Anwendung des Kastastrophenschutzrechts führen kann. Die Rolle der WHO wird eingehend dargestellt, die bislang sechs Pandemien von internationaler Bedeutung festgestellt hat. Diese Feststellung wird aber nach dem IFSG autonom in Deutschland mit anderen Begriffsbestimmungen getroffen.

Der Kommentar weist vor den einzelnen Abschnitten des IFSG zahlreiche Vormerkungen auf, die den Zusammenhang der jeweiligen Regelungen in einen systematischen Zusammenhang stellen. Der zentrale Begriff des IFSG ist die Annahme einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in deren Zusammenhang dem Robert – Koch – Institut als Bundesbehörde zentralen Kompetenzen zukommen, die in § 4 des IFSG geregelt sind. Die Berichtspflicht zur COVID-19 – Krise ist eingehend kommentiert. Die Kommentierung geht auch auf das Masernschutzgesetz ein und berücksichtigt eingehend die beiden Änderungsgesetze des IFSG durch das Erste und Zweite Gesetz zur epidemischen Lage von nationaler Tragweite, deren Voraussetzungen in § 5 geregelt werden und deren Feststellung eines Bundestagsbeschlusses bedarf. Dieser § 5 ist eine der zentralsten Normen dieses Gesetzes und enthält die sehr weitreichenden Eingriffskompetenzen für den Fall dieser Feststellung, die bereits im Gesetzgebungsverfahren teilweise zu Bedenken unter verfassungsrechtlichen Aspekten geführt haben, auch angesichts des problematischen Verhältnisses zum Recht der Bundesländer. Die Kommentierung äußert insoweit auch Bedenken hinsichtlich einer Vereinbarkeit mit Art. 83 GG. Die verfassungsrechtlichen Fragen werden in diesem Kommentar im Detail aufgegriffen. Völlig neu geschrieben sind die Erläuterungen zu den §§ 28 a – c des Gesetzes, die im Kern auf einem abgestuften Konzept der Inzidenzwerte mit jeweils unterschiedlichen Rechtsfolge pro Stufe beruhen, die mit § 28 b des Gesetzes auf Bundesebene vereinheitlicht wurden, wenn auch nicht völlig widerspruchsfrei. Die Erläuterungen zu § 28 b gehen auf diese Widersprüche im Detail ein und erläutern die bundeseinheitliche „Notbremse“ umfassend. Die Äbsätze 1 und 3 sind „self-executing“ und bedürfen keines Zwischenaktes der Bundesländer mehr, auch wenn die Ministerpräsidentenkonferenz auch in diesem Bereich weiter ihre politische Bedeutung behalten wird.

Der Kommentar ist sehr kritisch und greift alle Auslegungsprobleme auf, die von Reform zu Reform deutlich ansteigen. In aller Regel wird der jeweilige Regelungsbereich der Norm dargestellt und sodann folgt ein Abschnitt „Kritik“. Das Meldewesen und die sehr weitreichenden Bußgeldvorschriften werden nicht aus der Sicht des Infektionsrechts, sondern auch des Datenschutzrechts und des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts dargestellt.

Es gibt kaum ein Gesetz in Deutschland, dass für den Einzelnen größere Einschnitte bewirken kann. Dies zeigt sich etwa im 5. Abschnitt zu den Bekämpfungsmaßnahmen, die bei einem positiven Test bis hin zu einem Berufsverbot führen kann. Erfasst werden aber Überwachungen in Einrichtungen zu Wasser und zu Lande. Auf alle Eingriffskompetenzen wird eingegangen. Auch auf die Impfregelungen, die Priorisierung und deren Freigabe.

Der 10. Abschnitt regelt den Vollzug, den der Bund nicht über Bundesbehörden vornimmt, sondere insbesondere über Landesbehörden, ggf. durch die Bundeswehr und natürlich auf Bahnstrecken durch das Eisenbahn – Bundesamt. Die Kommentierung des § 54 IFSG fasst die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen zusammen.

Intensiv eingegangen wird auf die entschädigungsrechtlichen Normen, zu denen Rechtsprechung weitgehend fehlt, weil von den zentralen Eingriffsnormen des IFSG vor dieser COVID-19 – Krise kaum Gebrauch gemacht wurde, weder bei Ebola noch bei der letzten Influenza – Epidemie. Diese Spezialnormen werden systematisch in das Verhältnis mit anderen Entschädigungsnormen außerhalb des IFSG gebracht. Da die Entschädigungsregelung des § 56 IFSG erhebliche Auslegungsprobleme aufwirft, werden die bislang entwickelten Lösungsmodelle kritisch bewertet und diskutiert.

Der Kommentar geht intensiv auf die spezifischen Straf – und Bußgeldvorschriften des IFSG und ihre Verbindungen mit den allgemeinen Vorschriften ein.

Dieser Kommentar erscheint auch mit der zweiten Auflage zum richtigen Zeitpunkt und bietet eine zentrale Informationsquelle für alle, die mit dem IFSG und den damit zusammenhängenden Normen arbeiten müssen.

 

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