Bieber/Epinay/Haag/Kotzur, Die Europäische Union. Europarecht und Politik, 14. Aufl., 2020, Nomos
Eine Rezension zu:
Roland Bieber/Astrid Epinay/Marcel Haag/Markus Kotzur
Die Europäische Union
Europarecht und Politik
11. Auflage
Reihe: NomosLehrbuch
Baden-Baden: Nomos, 2020, 743 S., 38 Euro inkl. MwSt.
in Gemeinschaft mit Helbing & Lichtenhahn
ISBN 978-3-8487-6181-4
Das umfassende Lehr – und Handbuch bietet eine vollständige Übersicht über die Grundlagen der Europäischen Union, ihres Primärrechts, ausgewählten Bereichen des Sekundärrechts und den Politiken der Europäischen Union. Es ist das Ziel der Darstellung eine immer komplexer werdende Materie verständlich und nachvollziehbar zu machen, mit dem Ziel die Rechtsanwendung transparenter zu machen.
Unbeschadet erheblicher Turbulenzen handelt es sich um eine sehr dynamische, mit den Mitgliedstaaten eng verwobene politische, supranationale Organisation, die sich durch ein komplexes Mehrebenensytem auszeichnet und derzeit viele Problemzonen bewältigen muss, von denen COVID19 derzeit das wichtigste Problem ist, was aber nicht dazu führen sollte, die wichtigen Impulse im Klimaschutz nicht zu setzen. Es liegt auf der Hand, dass die völlig verfahrene Situation des BREXIT ebenfalls eingehend thematisiert wird. Das Buch erscheint in einer Situation der Problematisierung, ohne dass für viele Problemzonen bereits abschließende Lösungskonzepte gefunden wurden. Entsprechend zukunftsoffen ist die Neuauflage angelegt.
Die Darstellung in diesem Werk stellt auch in der 14. Auflage auf diese dynamischen Prozesse im Inneren wie im Äußeren ab und bietet in jeder neuen Auflage eine Momentaufnahme im Sinne einer Bestandsaufnahme der Entwicklung der Europäischen Union dar, die auch die Politiken intensiv mit einbezieht und sich auch an Politikwissenschaftler richtet. Die Eigenarten und Eigenheiten der EU erschließen sich erst in einer Gesamtschau, die hier in vorbildlicher Art und Weise vorgenommen wird.
Das Werk zeigt insbesondere wie die Mitgliedstaaten durch mehr oder weniger vorhandene – manchmal auch teilweise in Frage gestellte – gemeinsame Werte in einer gemeinsamen Rechtsordnung verbunden sind, die von Organisationsregeln, Parlamentsrecht, Grundfreiheiten für den Binnenmarkt, Grundrechten für die Bürger der Europäischen Union bis hin zum einen differenzierten Sekundärrecht reichen, das immer wieder verständlich gemacht werden muss und aus sehr anspruchsvollen Rechtstexten besteht.
Das Werk verschweigt nicht die teilweise dramatische Situation der Europäischen Union, deren weiterer Weg von Ungewissheiten gekennzeichnet sein könnte, auch angesichts einer überkomplexen Rechtsordnung. Die erhoffte Stabilisierung durch den Vertrag von Lissabon ist nicht völlig eingetreten. Vielmehr zeigen die aktuellen Krisenherde in außenpolitischer und wirtschaftlicher Hinsicht, dass weitere Stabilisierungsleistungen erforderlich sind, derzeit insbesondere durch das Subventionsrecht angesichts der COVID19- Situation. Die verschiedenen Integrationsprozesse und Integrationsebenen sind unter anderem auch Gegenstand dieses von Auflage zu Auflage immer lesenswerteren Buches, das diese Strukturen in inzwischen 40 Kapiteln darstellt.
In diesem bewährten Werk werden alle wesentlichen Strukturen und Aktionsfelder der Europäischen Union systematisch entfaltet, wobei die 14. Auflage durchgehend aktualisiert wurde. Das Werk hat den Stand von Spätsommer 2020. Im Zentrum der Neubearbeitung steht der Integrationsprozess, der neue Formen entwickeln muss, um die bestehenden Risiken zu bewältigen, unter Einschluss der Migration. Auf die Situation in Ungarn und Polen wird intensiv eingegangen. Auch die katalanische Frage bedürfte einer europäischen Moderation.
Die Darstellung bezieht auch intensiv politikwissenschaftliche und makroökonomische Ansätze ein und geht intensiv auf internationale Zusammenhänge ein. Im Zentrum stehen hier im Ausgangspunkt die Bürger und erst von diesem Ausgangspunkt her wendet sich die Darstellung den Institutionen zu, um sodann das Organisationsrecht der EU zu entfalten, das Rechtssetzungsystem und das Rechtsschutzsystem vor dem EuGH und EuG.
Der immer komplexer werdende Stoff wird gleichmäßig durchdrungen und gemessen an der Fülle komprimiert dargestellt.
Vor dem Hintergrund der derzeitigen, dramatischen Entwicklungen des Europarechts und der außenpolitischen Herausforderungen bietet das Werk eine sehr verständliche Gesamtschau auf die Eigenart und die Eigendynamik des Europarechts anhand
- der Verträge und der institutionellen Praxis,
- zahlreicher Entscheidungen sowie
- deren Wirkungen in den Mitgliedstaaten und im internationalen Bereich.
Es gibt kaum ein vergleichbares Buch diesen Umfanges, dass derart intensiv auf die Grundfreiheiten und verschiedenen Politikbereiche eingeht und versucht ein umfassendes Bild dieser Bereiche zu zeichnen. Dieses Werk führt die Linien zusammen.
Nach wie vor bilden die Grundfreiheiten den “zentralen Sockel” des Unionsrechts, da die Union gegründet wurde, um diesen Grundsätzen supranational eine effektive Wirkung zu verleihen. In diesem Zusammenhang geht die Darstellung auch intensiv auf das Europäische Kartellrecht in allen wesentlichen Aspekten ein. Weitere Schwerpunkte bieten das Subventionsrecht, das Strafrecht, die Einwanderungspolitik, das Steuerrecht, das Gesellschafts – und Unternehmensrecht, die Verkehrspolitik, Energie und vieles mehr. Ein umfassender und grunsätzlicher Teil geht intensiv auf die Außenbeziehungen der Union ein. Der Ausblick enthält eine Analyse der aktuellen Entwicklungstendenzen, die auch einen Blick auf bestehende Widersprüche wirft. Wer ein Rechtsproblem in diesem Bereichen lösen muss, wird in diesem Band zumindest den Einstieg dazu finden.
Das Werk ist nach wie vor eine der interessanten Darstellungen des Rechts und der Politiken der Europäischen Union und extrem lesenswert.