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Rezensionen juristischer Literatur

Ein Standardkommentar im Zivilprozessrecht

Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, Zivilprozessordnung, 79. Aufl., 2021, C.H.Beck

Eine Rezension zu:

 Abbildung von Baumbach / Lauterbach / Hartmann / Anders / Gehle | Zivilprozessordnung: ZPO | 78. Auflage | 2020 | mit GVG und anderen Nebengeset... | Band 1

Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle

Zivilprozessordnung

79., neu bearbeitete Auflage

herausgegeben von Monika Anders und Thomas Gehle

 Reihe: Beck’sche Kurzkommentare, Bd. 1

– Mit einer Beilage zur neuen Musterfeststellungsklage, in Kraft ab 1.11.2018 (16 S.) –

München: C.H.Beck, 2020/21, 3.053 S., 169,00 Euro

Begründet von Dr. Adolf Baumbach, weiland Senatspräsident beim Kammergericht. Fortgeführt zunächst von Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach, weiland Senatspräsident beim Hanseatischen Oberlandesgericht. Und sodann von Dr. Jan Albers, weiland Präsident des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, und Dr. Dr. Peter Hartmann, Richter am Amtsgericht a.D., von der 31. bis zur 77. Auflage u.a. verfasst von Dr. Dr. Peter Hartmann, der 13 Auflagen allein verfasst hat

ISBN 978-3-406-75500-2

www.beck-shop.de

Dieses unangefochtene Meisterwerk unter den ZPO – Kommentaren beeinhaltet Kommentierungen der ZPO, sowie – in Auszügen – des EGZPO, des FamFG, des GVG, des EGGVG, des DirG, der EuGVVO, des AVAG, der EuRAG, des KapMuG sowie einiger anderer Gesetze und nunmehr der Musterfeststellungsklage. Der Kommentar steht als Jahreskommentar für höchste Aktualität und Zugriff. Die 78. Auflage stellte eine Zäsur dar, weil Peter Hartmann nach 46.Auflagen die Kommentierung abgegeben hatte. Die Praxis hat diesem Kommentator, der diese Kommentare über Jahrzehnte allein verfasst hat, viel zu verdanken. Die 79. Auflage setzt die mit der Vorauflage verbundenen Änderungen konsequent fort.  Das Werk wurde an vielen Stellen neu gefasst und insgesamt durchgehend überarbeitet.

Die neuen, sehr erfahrenen Kommentaren stammen überwiegend NRW und aus Karlsruhe und haben diesen Kommentare im Sinne der Tradition dieses Kommentars auf der Grundlage der Vorauflagen fortgeschrieben und entsprechend aktualisiert. Eine schrittweise Überarbeitung aller Teile des Kommentars in den nächsten Auflagen ist angekündigt, weil die neuen Bearbeiter verständlicherweise eigene Akzente setzen möchten. An der Konzeption hat sich nichts geändert. Nicht mehr kommentiert wird aus Raumgründen das FamFG, zudem es aber hinreichend andere Werke im gleichen Verlag gibt.

Die Kommentierungen sind objektiv, interessenneutral und ermöglichen dem Leser rasche Problemlösungen aufgrund der sehr strukturierten Darstellungsweise, die alle Bedürfnisse der Praxis erfüllt. Besonders hervorzuheben ist die Kommentierung von ZPO und EuGVVO in einem Band, was den Bedürfnissen der Praxis sehr entgegen kommt, da das Zivilprozessrecht inzwischen sehr europäisch geworden ist, angesichts der vielen grenzüberschreitenden Sachverhalten, die es zu entscheiden oder zu schlichten gilt.

Die Kommentierungen sind sehr strukturiert und oftmals – nunmehr noch intensiver – nach Stichpunkten geordnet, so dass sich gesuchte Informationen rasch auffinden lassen. Zwischen Redaktionsschluss und Erscheinen liegt gerade einmal ein Monat. Die Kommentierung hat den Stand von Herbst 2020.

Der früher so betitelte Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ist ein berühmtes Standardwerk zur ZPO, weiland begründet von Adolf Baumbach und nunmehr in der 79. Auflage erschienen. Die im Jahre 1924 erschienene, erste Auflage des ZPO-Kommentars stammte von Adolf Baumbach und wurde bereits nach neun Monaten neu aufgelegt. Diese »Taschenausgabe der neuen Zivilprozessordnung« umfasste 615 Seiten – von der wir ein Exemplar besitzen – und war bereits ein Vorbild an Prägnanz und Aktualität. Heute nicht weniger als zuvor vereint der Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle Praxisnähe und Objektivität, bei etwa zehnfacher Konkurrenz.

Der Kommentar erscheint seit einigen Jahren jährlich neu und informiert den meist eiligen Praktiker stets zuverlässig über das geltende Recht in seinen Ausformungen durch die Rechtsprechung, die hier detailliert ausgewertet und kritisch bewertet wird. Die Kommentierung macht deutlich, worauf es im Prozess ankommt. Sie führt durch mehr als 1.200 Stichwörter-ABCs direkt zur gewünschten Auskunft. Die Neuauflage ist an vielen Stellen bereichert durch neue Vorschläge in einer möglichst rasch erfassbaren Gliederung, die auf Vereinfachung zielen, auch bei schwierigen Meinungsständen, mit Blick auf vertretbare Auffassungen und die Schaffung von Lösungsansätzen bei noch unsicherer Rechtslage.

Die 79. Auflage umfasst neben der umfangreichen neuen Rechtsprechung und Literatur insbesondere die Einarbeitung des Gesetzes zur Änderung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und des Gesetzes zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde mit den Auswirkungen auf die ZPO und GVG sowie deren Einführungsgesetze.  Prägend für das Jahr 2020 sind auch zahlreiche Gesetze zur Bekämpfung oder Eindämmung der COVID-19-Epidemie, die zwar keine direkten ZPO-Änderungen beinhalten, aber für die Rechtsanwendung der ZPO besondere Bedeutung haben. Die Covid19- Katasstrophe hat auf die Prozesspraxis erhebliche Einwirkungen. Noch nie zuvor sind derartig viele Entscheidungen im schriftlichen Verfahren ergangen. Die Bereitschaft die moderne Videokonferenztechnik, über die etliche Gerichte seit Jahren verfügen (manche leider immer noct nicht) und damit den § 128 a ZPO konsequent zu nutzen, prägt ebenfalls die Prozesspraxis, wie sie aus den USA bereits seit geraumer Zeit bekannt ist. Der Weg zum digitalen Zivilprozess ist inzwischen eröffnet. Infolge der aktuellen Entwicklungen steht die Digitalisierung der Justiz sehr im Zentrum dieser Neuauflage. Dies zeigt sich insbesondere bei den Kommentierungen der §§ 128 II, 224, 227, 233, 245, 247, 335 ZPO und bei §§ 169, 172 und 176 GVG. Komplett erneuert wurde die Kommentierung der §§ 130 a – 130 d ZPO unter Einbeziehung der Funktionen des BeA. Die Einflüße der E-Akte zeigen sich besonders bei den Hinweispflichten des § 139 I 3 ZPO unter Wiederbelebung des Relationsverfahrens in einer digitalen Umgebung. Die Relationsmethode ist auch unter digitalen Vorzeichen alles andere als „veraltet“.
Alle gesetzlichen Änderungen werden auch beeinflusst durch die Einführung der elektronischen Akte und die weitere Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs sowie die damit verbundenen Überlegungen zur weitergehenden Strukturierung des Zivilprozesses.

Die 79. Auflage kommentiert erneut zahlreiche Änderungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung. Über diese Änderungen findet sich stets eine Übersicht in Teil I. der Einleitung, deren Übersichtsfunktion beibehalten wurde.

Die 79. Auflage vertieft u.a. unter dem Eindruck der neuen BGH – Rechtsprechung die Kommentierung des §§ 606 ff ZPO zur Musterfeststellungsklage. Das seit dem 1. November 2018 geltende neue Musterfeststellungsverfahren in Buch 6. der ZPO (in dem früher das Familienverfahrensrecht geregelt war und das daher zur Verfügung stand) mit den §§ 606 b- 614 ZPO, das vor dem Hintergrund des Diesel-Skandals eingeführt wird und das die Durchsetzung von Verbraucherrechten in vielen Bereichen erheblich erleichtern soll, wird in allen Details erläutert. Dabei werden praxisorientiert die  kritischen Punkte dieser neuen Klageart für die Praxis angesprochen, so für die Klagebefugnis, das öffentliches Klageregister mit Eintragungsmöglichkeiten, das Urteil, einen etwaigen Vergleich, der mit Wirkung für alle eingetragenen Verbraucher geschlossen werden kann, die Bindungswirkung der Entscheidung, die Verjährungshemmung und das Verhältnis zu den immer noch massenhaft anzutreffenden Individualklagen sowie die neue Rechtsprechung des BGH zur sekundaären Darlegungslast. Erneut geht es in Schwerpunkten auch um die zwangsläufige Ausweitung des elektronischen Rechtsverkehrs im Zivilprozess, die nach wie vor zahlreiche, insbesondere technische Probleme aufwirft, die aber lösbar sein sollten. Der elektronische Rechtsverkehr ist alternativlos.

In der Kommentierung fortgeschrieben werden etwa die bisherigen Praxiserfahrungen mit dem Gesetz zum Internationalen Erbrecht mit seinem Internationalen Erbrechtsverfahrensgesetz sowie zum EU-Gewaltschutzverfahrensgesetz sowie verfahrensrechtliche Fragen betroffen sind.

Die Neuauflage bietet erneut eine erhebliche Informationsdichte hinsichtlich neu eingearbeiteter Fundstellen seit der Vorauflage von 2018, die das gesamte Meinungsspektrum dokumentieren. Ausgewertet werden über 40 Zeitschriften und Entscheidungssammlungen. Soweit erforderlich wird zwischen alter und neuer Rechtslage optisch unterschieden. Die Leitprinzipien des Zivilprozesses werden in systematischen Übersichten dargestellt. Satzzähler ermöglichen ein einfaches und präzises Zitieren. Ein Anliegen des Kommentars war von Anfang an die dogmatische Konsistenz der Lösungsvorschläge. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Einl. III hinzuweisen, die Grundlagenfragen betrifft und hierzu auch viele Übersichten bietet.

Dabei geht die Kommentierungen auch intensiv auf Streitfragen und Randfragen ein und bietet stets sehr fundierte Lösungsvorschläge, falls Streitfragen nicht höchstrichterlich entschieden worden sein sollten. Dies ist derzeit angesichts einer ungewöhnlich hohen Zahl von Änderungen ein deutliches Problem. Die ständigen Novellen seit den Vorauflagen werfen durchgehend neue Rechtsprobleme auf, denen sich eine Kommentierung quasi vorschauend nähern muss, weil jede neue Norm letzlich “Neuland” bedeutet und ein “Eigenleben” entfalten kann. Auf die Fülle von zu verarbeitenden Informationen reagiert die Kommentierung durch eine ständig steigende Fülle von Bezugnormen bei der Erläuterung der Einzelnormen. Die Beispiel – ABC’s sind auf über 1200 erhöht worden, mit mehr als 25000 Stichwörtern. Die Kommentierung widersetzt sich den Tendenzen alles soweit wie möglich durch eine außergerichtliche Streitbeilegung – so sinnvoll diese auch ist – zu lösen und macht insoweit auch rechtspolitische Vorschläge zur Fortentwicklung des Zivilprozessrechtes. Besonders hilfreich ist insoweit stets ein Blick in die vorzügliche Einleitung, die diese Entwicklungen dokumentiert und sich mit den aktuellen Strömungen von Dogmatik und Rechtspolitik in den “großen Linien” auseinandersetzt.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung wird mit der einschlägigen Literatur umfassend, aber auch kritisch ausgewertet. In bestimmten Bereichen helfen ABC – Stichwortreihen dem Leser einen schnellen Zugriff zu ermöglichen. Bei aller Komplexität der Materie ist die Darstellung sehr verständlich, bewegt sich aber ungeachtet dessen auf höchstem Argumentationsniveau. Vollständig dokumentiert werden überdies supranationale und internationale Rechtsquellen mit Bezug zum Zivilprozess.

Die Kommentierungen folgen überdies einem einheitlichen Aufbau, so dass der Aufbau der Reihenfolge Systematik – Regelungszweck – Sachlicher Geltungsbereich – Persönlicher Geltungsbereich – Einzelkommentierungen – Anmerkungen folgt, was die Nutzung für den Leser sehr erleichtert. Auf Einzelheiten einzugehen, verbietet sich angesichts einer viellschichtigen Kommentierung, die sich auf dem höchstem denkbaren Niveau bewegt. Letztlich werden alle aktuellen Problembereiche souverän dokumentiert. Es finden sich überdies zahlreiche Beispiele zur Tenorierung und Antragstellung.

Die stets sehr aktuelle, verständliche und systematische Kommentierung bietet nach wie vor eine der besten und interessantesten Kommentierungen der ZPO und weiterer Gesetze. Die Kommentierung bewegt sich weiter auf einem sehr hohen,  praxisbetonten Niveau und zeigt wie aktuell ein “Klassiker” sein kann.

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