P. Kindler, Einführung in das italienische Recht, 3. Aufl., 2022, C.H.Beck
Eine Rezension zu:
Peter Kindler
Einführung in das italienische Recht
3. Auflage
JuS – Schriftenreihe, Bd. 122
München: C.H.Beck, 390 S., 69,00 Euro
ISBN 978-3-406-66635-3
Die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Italien sind eng und dauern seit Jahrhunderten an. Die Rechtsgeschichte weist viele Berührungspunkte auf. Es gibt hinreichende Gründe sich mit dem Recht dieses wunderbaren Landes zu beschäftigen. Da die letzte Auflage dieses Bandes im Jahr 2008 erschienen ist, musste der Text erneut fast vollständig neu geschrieben werden. Inzwischen handelt es sich weniger um eine reine „Einführung“ als um eine aktuelle Bestandsaufnahme von Kernmaterien des italienisches Rechts mit breiter Dokumentation an Fundstellen in deutscher Sprache. Es gibt praktisch kein vergleichbares Werk dieser Art auf aktuellem Stand. Von der Seitenzahl her ist der Band auch wesentlich umfangreicher geworden. Geboten wird dem Leser ein sehr anschaulicher Überblick über die staatsrechtlichen Grundlagen und das Privat – und Wirtschaftsrecht Italiens. Das Buch eignet sich sowohl zur Einarbeitung aber auch als Leitfaden beim Nachschlagen einzelner Probleme. Die Dokumentation von Rechtsprechung und Literatur vor den einzelnen Abschnitten ist erneut sehr beeindruckend.
Die Neuauflage berücksichtigt sehr intensiv Internetfundstellen und setzt teilweise etwas andere Schwerpunkte als die Vorauflage, was sich etwa in der Darstellung des Zivilprozessrecht ausdrückt. Der Band hat den Stand von März 2022, aber aktuelle Informationen finden sich oftmals zusätzlich auf der oben genannten Webpage des Verfassers. Der Band ist für Studenten und Praktiker gleichermaßen von Belang, da es kaum vergleichbare Literatur in deutscher Sprache gibt. Die Darstellung gibt durchgehend die Stichworte an, unter denen im “Repertorio del Foro Italiano” weiterführende Informationen aufgefunden werden können.
Mit der zunehmenden Internationalisierung der rechtlichen Beziehungen wird die Kenntnis ausländischer Rechtsordnungen immer unverzichtbarer. Der vorliegende Band gibt einen anschaulichen Überblick zu den wesentlichen Teilgebieten des italienischen Rechts, die vor allem aufgrund der vielfältigen nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Italien und Deutschland (sei es im Wirtschaftsrecht, Sachenrecht, Familien- oder Erbrecht) auch für den deutschen Juristen von besonderem Interesse sind. Dabei wird natürlich der Tatsache Rechnung getragen, dass das italienische Zivilrecht dem romanischen Rechtskreis angehört, mit zahlreichen Ähnlichkeiten zum spanischen und französischen Recht. Jedoch enthält das ZGB vom 1942 auch Rezeptionen der deutschen Pandentistik. Der Band arbeitet auch jene Bereiche klar heraus, bei denen die Lösungen des italienischen ZGB dem dt. BGB überlegen sind. In einigen Bereichen – etwa im Bereich der AGB – geht das italienische ZGB sehr eigene Wege, die für deutsch – italienische Rechtsfälle schnell relevant werden können. Sehr hilfreich sind übrigens die 17 in den Band integrierten Rechtsfälle mit Lösungen.
Behandelt werden neben staatsrechtlichen Grundlagen die in Italien geltenden Rechtsquellen sowie eingehend das italienische Privatrecht einschließlich der Grundzüge der internationalprivatrechtlichen Kollisionsregeln. Gerade die Behandlung der Kollisionsregeln macht das Buch für Studierende und Referendare mit Ausbildungsschwerpunkt Internationales Privatrecht besonders interessant.
Für die 3. Auflage wurde das Werk gründlich überarbeitet und praktisch neu verfasst. Berücksichtigt wurden u. a. die Rechtsanwaltsordnung, die Neuordnung des Mahnverfahrens und die Einführung der Mediation sowie weitere Regelungen zur Gleichstellung nichtehelicher Kinder. Dargestellt wird zudem das italienische IPR unter dem Einfluss der jüngsten EU-Verordnungen zum internationalen Vertragsrecht und Recht der außervertraglichen Haftung, sowie zum internationalen Unterhalts-, Ehescheidungs- und Erbrecht.
Der Verfasser und seine Mitarbeiter haben sich in § 2 des Bandes sehr viel Mühe gegeben für deutsche Juristen eine Dokumentation der maßgeblichen Informationen zum italienischen Rechts zu erstellen, die in dieser Form einzigartig sein dürfte, zumal die Dokumentation allein der Internetfundstellen bahnbrechend ist. Die Angaben reichen von Gesetzesangaben, Textausgaben, Zeitschriften und Entscheidungssammlungen, über Ausbildungszeitschriften, zu Enzykloädien, Kommentaren, Lehrbüchern, Hilfsmittel für deutsche Juristen (Rechtswörterbücher und Übersetzungen) bis hin zu einer Dokumentation der Internetfundstellen und der elektronischen Datenbanken, die heute überall den Ton angeben. Erfreulicherweise findet sich hier auch eine Übersicht über die Internetseiten italienischer Fachverlage.
Der Band gliedert sich in vier Teile. Nach der bereits genannten Einleitung folgt zunächst in §§ 3 – 7 ein Grundlagenteil, der nicht nur das Verfassungsrecht, die Verfassungsgeschichte und die Rechtsquellenlehre darstellt, sondern auch das Gerichtssystem und die Juristen vorstellt. Der Text vermittelt insofern alle Wesentliche zum Verständnis italienischer Gerichtsentscheidungen.
Der dritte Teil (§§ 8 – 18) stellt das materielle Privatrecht dar, wobei allerdings eher die Rechtsprechung als die Literatur rezipiert wird, was angesichts der Volumengrenze des Bandes sehr nachvollziehbar ist. Die Darstellung setzt hier deutliche Schwerpunkte im Allgemeinen Vertrags- und Schuldrecht. Allerdings findet der Leser auch zum Recht der AGB, wobei – vergleichbar in etwa zu Spanien – eine AGB – Inhaltskontrolle nur sehr eingeschränkt stattfindet. Eher kurz behandelt wird der interessante Codice del Consumo mit dem Italien einen anderen Weg als das deutsche Recht geht, der letztlich transparenter is, zumal in einigen Regionen – wie in der autonomen Provinz Bozen oder Sardinien – Sonderregelungen bestehen können.
Die dichte Fülle an Informationen findet sich auch zum Familienrecht und im Erbrecht, während das Sachenrecht nur sehr kurz dargestellt wird. Dies gilt leider auch für wirtschaftsrechtliche Materien (s. insoweit aber Kindler, Italienisches Handels – und Wirtschaftsrecht, 2002; genannt werden aber alle Reformen seit Erscheinen dieses Bandes), die sich hier auf eine Skizze des Handels – und Gesellschaftsrechts beschränken. Intensiv erörtert wird erfreulicherweise das Staatsangehörigkeitsrecht, da dessen Normen für das internationale Privatrecht eine erhebliche Rolle spielen. Dieses wiederum findet eine sehr ausführliche Darstellung, die auf alle wesentlichen kollisionsrechtlichen Aspekte eingeht. Die einzigartige Darstellung ermöglicht Vertiefungen in nahezu alle Richtungen.
Die exzellente und nahezu konkurrenzlose Einführung gehört sicherlich zu den besten Einführungen in eine andere europäische Rechtsordnung, die derzeit auf aktuellem Stand verfügbar sind. Wer Informationen zum italienischen Privatrecht sucht, wird hier fündig werden.