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Rezensionen juristischer Literatur

Basiskommentar BetrVG 2021

Klebe/Ratayczak/Hellmann/Spoo, Betriebsverfassungsgesetz. Basiskommentar mit Wahlordnung, 22. Aufl., 2021, Bund-Verlag

Eine Rezension zu:

 Thomas Klebe/Jürgen Ratayczak/

Micha Heilmann/Sibylle Spoo

 Betriebsverfassungsgesetz.

Basiskommentar mit Wahlordnung

Frankfurt/Main: Bund-Verlag

22. Aufl., 2021, 1063 S., 46,00 Euro

ISBN 978-3-7663-7164-5

www.bund-verlag.de

Dieser seit langem eingeführte “Basiskommentar”, der 1979 erstmals erschienen ist, (er bietet weit mehr als nur eine “Basis”) erscheint etwa alle zwei Jahre. Der Kommentar hat den Stand von Ende Juli 2021 und ist überaus aktuell, da er der erste in Buchform erschienene Kommentar zu den Änderungen des BetrVG 2021 ist. Der Basiskommentar ist zwar vornehmlich für Betriebsräte konzipiert, ist aber ebenso für alle arbeitsrechtlich Interessierten interessant, insbesondere auch aufgrund der intensiven Einbeziehung der betrieblichen Praxis. Die Normen werden hier unter intensiver Einbeziehung der Rechtsprechung und der Betriebspraxis prägnant und gut verständlich erläutert. Der Leser erhält zu allen wichtigen Einzelfragen einen Überblick über den aktuellen rechtlichen Stand, die Meinung der Rechtsprechung und ggf. eine arbeitnehmerfreundliche Empfehlung der Autoren. Die 22. Auflage berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und der Instanzgerichte bis zum Redaktionsschluss nebst allen aktuellen Gesetzesänderungen.

Die Kernthemen der 22. Auflage sind insbesondere die Änderungen aufgrund des im Juni 2021 in Kraft getretenen Betriebsrätemodernieringsgesetzes sowie die Möglichkeiten der betrieblichen Mitbestimmung bei Anwendung der einschlägigen Regelungen aufgrund der COVID19-Pandemie, die ein komplexes Sonderrecht geschaffen hat. Die Reform hat das Betriebsverfassungsgesetz in wesentlichen Punkten geändert. Die Autoren erläutern sämtliche Änderungen verständlich und praxisnah und geben nützliche Empfehlungen für die Anwendung in der Praxis.

Kernthemen sind:

 

  • Änderung der Wahlvorschriften
  • Betriebsratssitzungen per Video- oder Telefonkonferenz
  • Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit
  • Sachverständige bei künstlicher Intelligenz
  • Mitbestimmung bei Fragen der künstlichen Intelligenz
  • Mitbestimmung bei mobiler Arbeit
  • Beteiligung bei beruflicher Weiterbildung.

Da der Gesetzgeber nicht alle aktuellen Themen im Bereich der Arbeit 4.0 für die Betriebsverfassung aufgegriffen hat, werden die Folgen dieser Entwicklungen weiterhin in der Kommentierung aktiv thematisiert, so die Einflüsse des Mindestlohngesetzes auf die betriebliche Mitbestimmung; neue Entwicklungen rund um Crowdwork; die Einrichtung von Unternehmenspages bei Facebook, die sehr wichtige Thematik der prekären Arbeitsverhältnisse und Mitbestimmung, z.B. bei Leiharbeit, Scheinselbständigkeit, Werkverträgen, Teilzeit und Befristung; Mitbestimmung bei der Entlohnung mit Blick auf das Mindestlohngesetz und die Rolle des Betriebsrats bei Betriebsänderung, Interessenausgleich und Sozialplan.Ebenfalls berücksichtigt werden die aktuellen Themen rund um die Migration, soweit sie betriebliche Auswirkungen haben kann. Die EU – DatenschutzgrundVO ist durchgehend berücksichtigt. Der Text des BetrVG ist seit der Vorauflage nicht mehr gesondert abgedruckt.

Ein wichtiges Thema ist weiterhin insoweit die betriebsverfassungsrechtliche Bewältigung der Kurzarbeit, die durch die COVID19-Krise erheblich zugenommen, aber auch Arbeitslosigkeit verhindert hat, und der Unternehmensinsolvenzen. In diesem Zusammenhang berücksichtigt die Kommentierung jetzt erstmals die Einflüsse des StaRUG auf die betriebliche Mitbestimmung und die Möglichkeiten der betrieblichen Mitbestimmung bei Einsatz der Instrumente dieser neuen gesetzlichen Regelungen. Weiter intensiv berücksichtigt wird die Rechtsprechung zur Mitbestimmung des Betriebsrates bei Fremdfirmenarbeit wie Werkverträgen und Leiharbeit, bei der mobilen Arbeit sowie beim Crowdsourcing. Weitere Schwerpunkte stellen Social Media und BYOD-Regelungen zur dienstlichen Nutzung privater Geräte der Mitarbeiter sowie der Einsatz im Home – Office dar. Das neue Mitbestimmungsrecht zum Letztgenannten betrifft zwar nur die Ausgestaltung eines solchen Arbeitsplatzes, erweitert aber die Mitbestimmungsmöglichkeiten deutlich. Die Neuregelungen werfen zahlreiche Fragen auf, zu denen in den Erläuterungen Lösungsansätze entwickelt werden.

Infolgedessen werden Strategien bei der Einführung von Kurzarbeit intensiv erörtert. Auch sozialrechtliche Aspekte werden durchgehend berücksichtigt. Der betriebliche Datenschutz ist ebenfalls weiterhin ein wichtiges Thema, so dass die diesbezüglichen Ausführungen erneut vertieft wurden, da die Datenverarbeitung durch den Betriebsrat nunmehr gesetzlich geregelt wurde.

Eingearbeitet in diesen Kommentar – und das ist dessen Stärke – sind insbesondere Praxiserfahrungen von Betriebsräten. Diese sind auch die primäre Zielgruppe. Die Kommentierung erfolgt maßgeblich aus der Sicht der Betriebsratspraxis, der sie ein qualifizierter Ratgeber sein will. Gewerkschaftsrechte im Betrieb werden intensiv erörtert. So werden betriebsverfassungsrechtliche Möglichkeiten bei Offshoring – Maßnahmen intensiv berücksichtigt, so dass auch internationale Aspekte zur Sprache kommen. Auch die Darstellung der Rechtsschutzmöglichkeiten bei personellen Einzelmaßnahmen wurde erneut eingehend vertieft.

Intensiviert wurde auch erneut die Darstellung zur Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik unter Einschluss der Nutzung von Intranetstrukturen. Auch die betriebsverfassungsrechtlichen Probleme der Arbeitnehmerüberlassung ist erneut ein deutlicher Schwerpunkt, zumal hier vielfältige Probleme bestehen. 

Die Kommentierung ist sehr komprimiert und aus Kostengründen platzsparend gehalten. Ungeachtet dessen und auch gemessen am günstigen Preis, bietet diese Kommentierung eine Fülle von Informationen, auch für den juristischen Praktiker. Hervorzuheben sind etwa die klaren Erläuterungen zun den Änderungen bei der Betriebsratswahl (mit Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre). Wer in einem Betrieb, einen Betriebsrat nach § 17 BetrVG gründen möchte (was sich in wirtschaftlich schlechten Zeiten mit Blick auf §§ 111 ff BetrVG für Arbeitnehmer bei zu erwartenden Krisen geradezu anbietet), der tut gut, sich die betreffenden Ausführungen eingehend anzusehen, etwa hinsichtlich der Sondervorschrift des § 14a BetrVG für Kleinbetriebe.

Die §§ 74 ff BetrVG enthalten den materiellen Teil des BetrVG und legen mit §§ 74, 75 BetrVG die Grundlagen für die betriebliche Zusammenarbeit fest, die stets auch Maßstab der gerichtlichen Kontrolle sind, soweit Sonderregelungen nicht bestehen. Auf diesen Prinzipien aufbauend hat sich eine verzweigte Judikatur herausgebildet, die in die Darstellung souverän eingearbeitet wird. § 75 BetrVG prägt auch das Individualarbeitsrecht, weil aus dieser Norm Maßstäbe etwa für die Gleichbehandlung im Arbeitsrecht gefolgert werden. In diesem Rahmen werden insbesondere die betrieblichen Benachteiligungsverbote anhand der Rechtsprechung klar herausgearbeitet. Im Zusammenhang des § 77 BetrVG wird die Betriebsvereinbarung eingehend behandelt. Um die Reichweite der – nunmehr erweiterten – Rechte aus § 87 BetrVG wird viel gestritten, daher versucht die Kommentierung die Rechtsprechung zu dieser Norm möglichst umfassend auf knappem Raum auszuwerten, wobei erfreulicherweise die Thematik betrieblicher Überwachungsmaßnahmen durch den Einsatz von Medien sehr intensiv unter Einbeziehung datenschutzrechtlicher Fragen behandelt wird, unter Einschluss von Fragen der Videoüberwachung im Betrieb. Näher eingegangen wird zunehmend auf die Einführung neuer technischer Systeme am Arbeitsplatz, wozu etwa auch die Einführung von Wissensmanagementsystem gehört. Die Digitalisierung und die Nutzung elektronischer Kommunikation war ein Kernthema der Reform des § 87 BetrVG.

Bei § 103 BetrVG wird beispielsweise deutlich erklärt, unter welchen Umständen sich der Kündigungsschutz auch auf Ersatzbetriebsratsmitglieder erstreckt, die nach der herrschenden Linie der Rechtsprechung diesen Schutz nicht generell genießen. Vertieft wurden die Erörterungen zu den Anforderungen an Stellenausschreibungen nach § 93 BetrVG. Erörtert wird auch die Mitbestimmung des Betriebsrat bei der Beschwerdestelle nach dem AGG.

Als sehr gelungen muss die Kommentierung der §§ 111 ff BetrVG bezeichnet werden. Diese Fragen haben derzeit eine erhebliche Praxisrelevanz, da oftmals ganze Betriebsteile, wenn nicht gar Betriebe geschlossen werden und sich zur Schadensbegrenzung die Frage nach der Aufstellung eines Sozialplanes stellt. Gut erklärt wird dabei zunächst die nicht unmittelbar erzwingbare, aber bei Verstoß in § 121 BetrVG als Ordnungswidrigkeit sanktionierte, Mitbestimmung hinsichtlich § 111 BetrVG, der dem Betriebsrat sehr weitgehende Auskunftspflichten bei drohenden betrieblichen Nachteilen gewährt, wobei vieles im einzelnen umstritten und ungeklärt ist, was die Kommentierung auch deutlich werden lässt. Recht eingehend wird dabei der Frage nachgegangen, unter welchen Voraussetzungen der Betriebsrat bei Verweigerung der Mitwirkung des Arbeitgebers, die hier recht häufig anzutreffen ist, eine einstweilige Unterlassungsverfügung zu erwirken, mit der dem Arbeitgeber etwa untersagt wird, während laufender Verhandlungen Kündigungen auszusprechen. Ebenso deutlich werden die Unterschiede zwischen betrieblichen Interessenausgleich und Sozialplan nach § 112 I, II BetrVG herausgestellt. Dieser Sozialplan ist im Rahmen der Abstufungen des § 112 a BetrVG erzwingbar, der trotz seiner komplizierten Fassung sehr verständlich erklärt wird. § 113 BetrVG schließlich schlägt eine Brücke zum Individualarbeitsrecht bei Abweichungen von einem Interessenausgleich durch den Arbeitgeber. Entgegen dem BAG vertreten die Autoren, dass der Betriebsrat die Einhaltung des Interessenausgleichs aus eigenem Recht erzwingen kann, gestehen allerdings gleichzeitig dem einzelnen Arbeitnehmer keine unmittelbar einklagbaren Rechtsansprüche zu. Diese Auffassung hätte eine nähere Begründung verdient.

Der Kommentar bietet weiterhin eine ausgezeichnete Hilfestellung zur Bewältigung betriebsverfassungsrechtlicher Problemstellungen und bietet sehr kompakte, konkrete und preisgünstige Informationen über das im Jahr 2021 erheblich geänderte BetrVG.

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