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Rezensionen juristischer Literatur

Die beste Darstellung zur Praxis der strafrechtlichen Hauptverhandlung 2022

Detlef Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, ZAP

 

 Eine Rezension zu:

Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung

 Detlef Burhoff

 Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung

  10., aktualisierte und wesentllich überarbeitete Auflage 2022

Bonn: ZAP – Verlag, 2022, 1.432 S., 119,00 Euro inkl. MwSt.

Im Paket mit dem Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren: 199,00 Euro

ISBN 978-3-89655-0017-5

www.zap-verlag.de

Ergänzende Informationen unter:

www.burhoff.de

Das Handbuch bietet eine umfassende, kompakte Darstellung aller maßgeblichen Aspekte der strafrechtlichen Hauptverhandlung und ergänzt das Handbuch des Verfassers zum Ermittlungsverfahren optimal. Diese beiden Bände werden durch zwei weitere Handbücher ergänzt: Burhoff/Kotz (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Nachsorge: Bewährungsfragen – Strafvollstreckung – Gnade – Berufliche Auswirkungen, 1. Auflage 2016, 1696 Seiten, ZAP – Verlag sowie Detlef Burhoff/Dr. Peter Kotz (Hrsg.): “Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe”, 2. Auflage 2016 (angek.), ZAP Verlag.

Die Neuauflage wurde durchgehend aktualisiert und wesentlich vertieft. Sie bietet die Besonderheit, dass neue Autoren in die Mitbearbeitung eingetreten sind, die unter S. IX. näher vorgestellt werde. Der Herausgeber wurde zu seinem 70. Geburtstag mit einer Festschrift geehrt. Die Darstellung bildet eine optimale Einheit mit dem parallel wieder neu erschienenen „Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren“. Überschneidungen werden soweit wie möglich vermieden. Der Verfasser möchte Einseitigkeit bewusst vermeiden, auch wenn die Darstellung primär auf die Perspektive der Verteidigung zielt, zu der zahlreiche Hinweise mit maximalem Nutzen gegeben werden. Jeder Rezensent dürfte dem Verfasser mutmaßlich bescheinigen, dass beide Bände so ziemlich das Beste darstellen, was auf diesem Sektor derzeit erhältlich ist. Beide Werke richten sich denn auch gleichermaßen an Strafrichter, Staatsanwälte und insbesondere auch an Strafverteidiger, von deren Kommunikationsfähigkeit – und Bereitschaft sowie deren Rechtskenntnissen das Ergebnis einer mündlichen Hauptverhandlung für den Angeklagten nicht unerheblich abhängt.

Das Handbuch zeigt sehr deutlich die Komplexität der Kommunikationsbeziehungen in der strafrechtlichen Hauptverhandlung als dem Kernbestandteil des Strafverfahrens auf. Das Beweisergebnis der mündlichen Hauptverhandlung ist die Grundlage der Entscheidung des Gerichts, aber bis es dazu kommt, spielt sich ein Kommunikationsgeschehen ab, in dem die gegensätzlichen Verfahrensinteressen – zum Teil recht massiv – aufeinander einwirken. Im Spannungsverhältnis zwischen Opferschutz und der Einhaltung des Verfahrensrechts kommt es dem Verteidiger zu, einen Angeklagten möglichst optimal vor Strafe zu bewahren oder diese möglichst gering zu halten, was durchaus im Spannungsverhältnis zum Opferschutz stehen kann. Angesichts gewisser Tendenzen der Rechtsprechung manche Verteidiger im Beweisantragsrecht zu “disziplinieren” ist dies nicht immer ganz einfach. Burhoff spricht dies bereits im Vorwort offen an und geht auch auf das oft vorschnelle Verdikt der “Konfliktverteidigung” ein. Engagierte Strafverteidigung setzt die Beherrschung der strafprozessualen Möglichkeiten der Verteidigung in der mündlichen Hauptverhandlung voraus, die bereits mit Blick auf eine etwaige Revision erfolgen muss, um eine „Konflikt“ möglichst zu vermeiden, was aber nicht immer möglich ist.

Wenn es ein Werk gibt, das die mündliche Hauptverhandlung auch (aber nicht nur) für Strafverteidiger transparent macht, dann ist es dieses. Ohnehin ist es sicher kein Fehler, die beiden Handbücher in der Hauptverhandlung präsent zu haben. Die GroKo der letzten Legislaturperiode hatte sich unter dem Stichwort: „Pakt für den Rechtsstaat“ die Modernisierung der StPO sowie die Beschleunigung des Strafverfahrens auf die Fahnen geschrieben und es zeigt sich, dass der Pfad weiter beschritten wird; möglicherweise unter dem Duktus „Genug, ist nicht genug“, aber das soll hier dahinstehen.

Diese Entwicklungen mündeten in das „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens“ v. 10.12.2019 und das „Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung“ v. 10.12.2019, die die StPO an vielen Stellen geändert haben und daher auch im Buch an vielen Stellen zu Änderungen geführt haben. Zu erwähnen ist dann noch das „Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren“ v. 9.12.2019, das die die sog. Kinderrechte-Richtlinie EU/2016/800 umgesetzt hat. Und zuletzt hat auch das gerade erst in Kraft getretene „Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.“ v. 25.6.2021 einige Änderungen gebracht, die auch in dieses Handbuch aufgenommen werden mussten, so z.B. die Definition des Begriffs des „Verletzten“.

Das Werk ist – wie der Parallelband zum Ermittlungsverfahren – alphabetisch nach Stichworten geordnet, so dass sich gesuchte Informationen leicht auffinden lassen. Etliche Stichworte sind seit der letzten Auflage hinzugekommen. Die vielen Änderungen der StPO und des StGB in den letzten Jahren haben dazu geführt, dass viele Stichworte geändert wurden, etwa bei den Ablehnungsgründen der §§ 24 ff StPO oder bei der Verständigung nach § 257 c StPO. Das Werk hat jetzt den Stand von Ende November 2021.

Die klug gewählte ABC – Struktur hilft auch und gerade in Hauptverhandlungen, wenn nach Verhandlungspausen schnell “agiert” werden muss. Trotz des 2013 erstmals erschienen Bandes zum Revisionsrecht ist die Darstellung der Revision ist diesem Band erfreulicherweise erneut beibehalten worden, die einen ersten Einstieg in diese komplizierte Materie darstellen, bei der es oftmals sinnvoll ist, Spezialisten einzuschalten.

Die Darstellung orientiert sich – selbstverständlich – an der Praxis, arbeitet diese jedoch durchaus kritisch auf, so dass auch und gerade Strafrichter und Staatsanwälte in diesem Band Gelegenheit finden, die ein oder andere eingefahrene Praxisstruktur ggf. zu überdenken. Die Darstellung integriert zahlreiche interessante “Verfahrenstipps und Hinweise für den Strafverteidiger”. Ca. 600 neue Entscheidungen aller Instanzen sind ausgewertet und eingearbeitet.

Die Darstellung ist derartig vielschichtig, dass eine in Einzelheiten sich verlierende Rezension quasi von selbst verbietet. Zu erwähnen ist aber, dass eine der Stärken des Werkes darin besteht, auch äußerst umstrittene Themen fundiert aufzuarbeiten und Perspektiven zu gewinnen für strategische Operationen jenseits eingefahrener Lösungen, wenn sich auf der Basis der herrschenden Linie der Rechtsprechung – so es sie jeweils bei den zahlreichen Änderungen schon gibt – Handlungsspielräume zu gewinnen. Dies zeigt sich etwa bei der vollständig umstrittenen Frage der „Absprachen im Strafprozess“. Hier bieten die Ausführungen ausgezeichnete Checklisten anhand der einschlägigen Rechtsprechung und Hinweise für die Verteidigung, etwa dergestalt stets auf hinreichende Protokollierung zu achten. Ohnehin sind die zahlreichen „Hinweise für Strafverteidiger“ ungemein nützlich. Noch weiter verbessert wurden die Ausführungen zum Beweisantrag, der wichtigsten Strategie des Strafverteidigers in der mündlichen Hauptverhandlung. Erfasst werden auch die Besonderheiten des „Jugendstrafverfahrens“. Nichts anderes gilt für den wichtigen Abschnitt „Pflichtverteidigung“, der auf alle wichtigen Aspekte mit interessanten Hinweisen eingeht. Hervorzuheben sind etwa die Ausführungen zum „Plädoyer des Strafverteidigers“, die zahlreiche nützliche Hinweise enthalten. Erneut überarbeitet wurde der Abschnitt über die Überwachung der Telekommunikation und deren Grenzen.

Die zahlreichen Formulare und Muster lassen sich mit jedem Textverarbeitungsprogramm aus dem Downloadbereich einlesen und sofort verarbeiten (der Zugangscode steht auf S. IV). Die Muster lassen sich auch leicht auf der Festplatte zum öfteren Gebrauch ablegen und – dagegen dürfte wohl nichts sprechen – für besondere Fälle weiter entwickeln. Die Muster und Checklisten sind vielfältig. Der Downloadbereich kann insgesamt herunter geladen werden und auf der Festplatte genutzt werden.

Hinzuweisen ist ergänzend auf die eingangs genannte Homepage des Verfassers, eine der besten Praktiker-Sites für die Strafrechtspraxis im deutschen Netz, die nicht ohne Grund eine erhebliche Zugriffsdichte aufweist. Die hier bereitgestellten vielfältigen Informationen helfen die Zeit bis zur Vorlage einer Neuauflage zu überbrücken. So finden sich hier auch zahlreiche Aufsätze des Verfassers und Auszüge aus seinen Buchveröffentlichungen, etwa seine regelmäßigen Arbeiten aus der “Zeitschrift für die Anwaltspraxis”. Hinzuweisen ist schließlich auf den Newsletter des Verfassers, der regelmäßig über Änderungen und Aktualisierungen der Homepage wenigstens einmal pro Monat berichtet. Seit Jahren gibt es auch eine interessante “Facebook – Fanpage”.

Das Handbuch von Detlef Burhoff und seinen neuen Mitautoren ist wahrscheinlich die beste Praxisdarstellung für die strafrechtliche Hauptverhandlung und wird mit sehr guten Gründen von Auflage zu Auflage mit besten Kritiken bedacht. Wer dieses ausgezeichnete Handbuch – wider Erwarten – noch nicht kennt, sollte es unbedingt kennenlernen.

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