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Rezensionen juristischer Literatur

Ein Überblick über das US – Recht

Peter Hay, US -amerikanisches Recht, 7. Aufl., 2020, C. H. Beck

Eine Rezension zu:

Abbildung von Hay | US-Amerikanisches Recht | 7., überarbeitete und erweiterte Auflage | 2020

 Peter Hay

US – Amerikanisches Recht

Reihe: Juristische Kurz – Lehrbücher

7., überarbeitete und erweiterte Auflage

 München: C.H. Beck, 2020, 418 S., 36,90 Euro inkl. MwSt.

mit

Helbing Lichtenhahn und Manz Verlag

ISBN 978-3-406-67499-0

www.beck-shop.de

Das US – amerikanische Recht ist eine faszinierende, dem deutschen Juristen auf den ersten Blick fremde Materie, zu der ein Zugang nicht leicht ist. Der Leserkreis für diesen Bandes ist daher groß. Das Buch spricht letztlich jeden an, der sich in das US-amerikanische Recht einarbeiten möchte.

Ziel dieses Buches ist es, in einem überschaubaren Umfang einen umfassenden Überblick (besser vielleicht: Einblick) über das US – amerikanische Recht zu geben. Damit hat das Werk notwendig Einführungscharakter. Es gibt hochwillkommene Hilfestellungen bei der Einarbeitung in diese Materie von Deutschland aus, etwa zur Vorbereitung eines USA – Aufenthaltes. Die Neuauflage ist jetzt im wesentlichen auf dem Stand von Herbst 2020. Gegenstand auch dieser Neuauflage war die Einarbeitung der Entwicklung der Gesetzgebung, besonders auf bundesrechtlichem Gebiet und die dynamische Entwicklung der Rechtsprechung, die sehr souverän in einer klugen Auswahl dokumentiert wird. Parallel dazu erscheint eine englischsprachige Ausgabe.

Rechtsgeschichtliches, so wichtig es für das Verständnis dieser Materie ist, wird eher gestreift. Sehr fundiert vermittelt der Verfasser die für diesen Bereich so wichtige Rechtsquellenlehre des US- amerikanischen Rechts, ausgehend vom Verständnis des Common- und Equity – Law als Richterrecht, neben das zunehmend Statuory Law, also staatlich gesatztes Recht tritt, das aus Bundes- und Landesrecht besteht, nach der Abgrenzung des 6. Artikels des US – Verfassung, die im Anhang abgedruckt ist. Zwar weicht das einzelstaatliche Recht oft voneinander ab, doch haben Uniform Law Codes erheblich zur Rechtsvereinheitlichung beigetragen, von den wichtigen Restatements der Juristenvereinigungen ganz abgesehen. Sehr eindrucksvoll ist etwa die Erläuterung des Umganges mit den Prejudices des Richterrechts, dessen hohe Bedeutung die US – amerikanische Rechtskultur – wie die englische – maßgeblich gekennzeichnet, da auch die Auslegung des Gesetzesrechts der bindenden Auslegung durch die Gerichte unterliegt und damit erst die Auslegung eines problematischen Rechtssatzes mit dieser gemeinsam die Norm bildet (vertiefend: Blumenwitz, Einführung in das anglo-amerikanische Recht, JuS-Schriftenreihe, Bd. 2). Selbstredend wird auch die Struktur der stare decisis eingehend erklärt, die die Rechtsprechung der unteren Instanzen an Prejudices der holding (nicht auch der obiter dicta) der obersten Gerichte bindet, so dass nur dem jeweils höchsten Gericht ein Overruling möglich ist.

Um das passende Präjudiz zu finden, muss ein distinguishing erfolgen, dass eine rationale Methode des Auffindens von Leading Cases voraussetzt, die von Hay klar erklärt wird. Hier haben inzwischen “neue Medien” und Internet nicht mehr wegzudenkende Möglichkeiten der Informationsbeschaffung hervorgebracht. Gerade das US-amerikanische Recht lässt sich hervorragend online recherchieren (als Einstieg sei auf Relativ kurz behandelt wird das öffentliche Recht des USA (näher dazu: Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, München: C.H. Beck, JuS-Schriftenreihe). Der Schwerpunkt liegt insoweit auf dem Verfassungsrecht, ausgehend von der Erläuterung des Konzeptes der Präsidialdemokratie.

Die Neuauflage ist erneut erweitert worden, wobei alle Kapitel überarbeitet wurden, nicht zuletzt, weil die Gesetzgeber in den letzten Jahren sehr eingehend tätig waren. Dabei werden insbesondere aktuelle Problemstellungen intensiv einbezogen wie das internationale Prozessrecht, die Vereinbarkeit staatlicher Maßnahmen mit den Grundrechten, Fragen des Kartellrechts, des Sozialrechts und des Strafrechts mit dem Strafvollzug. Alle Literaturnachweise und die Fundstellen zur Rechtsprechung haben einen aktuellen Stand.

Kurz dargelegt wird auch das Ausländerrecht in seinen wesentlichen Zügen, mit besonderem Blick auf das Einreiserecht. Auch hier scheint sich in Europa gegenwärtig eine deutliche Rezeption des US-Rechts abzuzeichnen. Hier kommen insbesondere die Visumpflicht für die Einreise als Nonimmigrant und die Voraussetzungen für die Einreise als Immigrant zur Sprache.

Die Ausführungen zum Verwaltungsrecht sind zwar sehr knapp, bieten jedoch das Wesentliche in prägnanter Kürze. Die strikte Trennung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht wie sie den kontinentaleuropäischen Rechten vertraut, fehlt in den USA weitgehend. Entsprechend fehlen spezifische Verwaltungsgerichte weitgehend, doch prüfen die “ordentlichen” Gerichte auch die Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln, wenn ein standing vorliegt, dessen Voraussetzungen wesentlich weiter gezogen sind als die der deutschen Klagebefugnis.

Besonders anregend ist die Lektüre der Ausführungen zum US-amerikanischen Prozessrecht, in dessen Zentrum der Zivilprozess steht. In diesem Rahmen erläutert Hay in herausragender Weise auch die Strukturen der internationalen Zuständigkeit US – amerikanischer Gerichte, deren Bejahung erhebliche materiellrechtliche Vorwirkungen haben kann.

Ein US-amerikanisches Zivilprozessrecht gibt es indessen sowenig, wie ein US-amerikanisches Zivilrecht, da diese Materien als Ländersache jeweils abweichender Regelung zugänglich sind, was die Existenz eines interlokalen Kollisionsrechts innerhalb der USA notwendig macht. Die Existenz der Notwendigkeit der ständigen Abgleichung der Rechte der verschiedenen Bundesstaaten erklärt auch das hohe US-amerikanische Niveau des “Law of Conflicts”. Die Ausführungen beziehen sich denn auch auf den bundesrechtlichen Federal Rules of Civil Procedure (FRCP). Es ist überaus begrüßenswert, dass die Gerichtsstände in sachlicher und örtlicher Hinsicht recht eingehend dargelegt werden. Die Begrifflichkeit in der deutschen Ausgabe ist allerdings eher auf einen mit der ZPO vertrauten Leserkreis ausgerichtet, auch wenn die Begriffe manchmal nur schwer in eine Entsprechung zu bringen sind. Hier finden sich allerdings zahlreiche Regeldurchbrechungen, etwa durch die Doktrin des Forum non Conveniens, nach der ein zuständiges Gericht zugunsten eines anderen, international ebenfalls zuständigen Gerichts, seine Zuständigkeit verneinen kann, was in Deutschland nicht praktiziert wird. Im Rahmen der Darlegungen zu den Gerichtsständen wird der nicht ganz leicht handzuhabende Begriff des Domicile (of origin; of derivation; of choice) sehr präzise und nachvollziehbar erläutert.

Der Leser wird auch über das Kostenrecht der American Rule aufgeklärt, denn jede Partei trägt die Kosten des Rechtsstreits selbst, was oftmals zur Abtretung eines Teiles der Klageforderung an Rechtsanwälte führt. Interessant sind die Darlegungen über den Gang der Hauptverhandlung, die die Unterschiede zum deutschen Zivilprozess deutlich machen (s. auch Schack, US – amerikanisches Zivilprozeßrecht, JuS-Schriftenreihe). Eine Übersicht über das Zwangsvollstreckungsrecht erfolgt als Abrundung. Gut erklärt werden die Voraussetzungen der Anerkennung ausländischer Titel und deren Durchsetzung. Aufgrund des Zusammenhangs wird unmittelbar im Anschluss das internationale Kollisionsrecht der USA behandelt, das als einzelstaatliches Recht bei kollisionsrechtlicher Gesamtverweisung eines anderen Staates der Konkretisierung bedarf. So knapp dieses Kapitel gefasst wird, werden doch alle maßgeblichen Aspekte wenigstens kurz angesprochen. So die allgemeinen Regeln unter Darstellung der abweichenden Begrifflichkeiten, aber auch der interessanten Gemeinsamkeiten und die “besonderen Lehren”, wie sie auch vom deutschen IPR her vertraut sind.

Der Überblick über die Grundstrukturen des Privat- und Wirtschaftsrechts der USA strebt eine gewisse Vollständigkeit an. Die Darstellung lehnt sich sehr stark an die nur faktisch verbindlichen Uniform Acts an und wählt insbesondere den für fast alle Bundesstaaten (außer Louisana) verbindlichen Uniform Commercial Code zum Ausgangspunkt der Darstellung, der auf alle Warenkäufe Anwendung findet. Interessant ist die Überlagerung des Art. 2 UCC durch das auch für die USA geltende CISG. Insbesondere die großen Besonderheiten des US- amerikanischen Privatrechts, die Consideration und die Specific Performance werden in herausragender Weise dem deutschen Leser vorgestellt. US – amerikanische Verträge sind immer gegenseitige Verträge, auf Bargaining angelegt, ohne das es auf den Wert der Gegenleistung nach der Peppercorn Theory ankommt. Schriftliche Abfassung eines Vertrages ersetzt dabei nach dem Recht der meisten Staaten die Consideration, deren nur noch symbolische Funktion damit auf der Hand liegt, wenn eine stoffliche Gegenleistung fehlt. Den deutschen Juristen wird insbesondere (in rechtsvergleichender Perspektive) das US- amerikanische Leistungsstörungsrecht interessieren, dessen Kernkategorie der Breach of Contract ist, der regelmäßig zum Schadensersatzanspruch führt, weil eine Specific Performance, ein Erfüllungsanspruch, der nur zulässig ist, wenn der Vertragsgegenstand nicht ersetzbar ist, fehlt. Diese Basisstrukturen werden auf engstem Raum sehr verständnisorientiert dargelegt. Es ist dabei selbstverständlich, dass die Anwendung US-amerikanischen Rechts durch deutsche Juristen der Vertiefung am näher konkretisierten Recht des jeweiligen Einzelstaates bedarf. Eingehend vorgestellt wird auch das sehr weitreichende Recht der unerlaubten Handlungen, der Torts, von denen besonders die Punitive Damages dem deutschen Juristen eher fremd sind. Sie sind aber auch in den USA in die rechtspolitische Diskussion geraten, auch wenn es weiterhin zu einer erheblichen Verhängung entsprechender Schadensersatzsummen kommt. Korrespondierend dazu, scheint sich auch in Deutschland eine Neigung der Gerichte analysieren zu lassen, höhere Schadensersatzsummen zuzusprechen. Kurze Kapitel finden sich auch zu Sachen-, Familien- und Erbrecht. Hier wird insbesondere die Besonderheit herausgestellt, dass das US-amerikanische Erbrecht für Abkömmlinge kein Pflichtteilsrecht bereitstellt, wenn testamentarische Enterbung vorliegt, die regelmäßig Gegenstand prozessualer Angriffe ist. Kurz aber verständlich finden sich auch Erläuterungen etwa zum Scheidungsrecht.

Ein sehr informativer, recht kurzer Überblick stellt die Zusammenhänge des US-amerikanischen Wirtschaftsrechtes dar und enthält kurze Einblicke in das Handels- und Gesellschaftsrecht, das Wettbewerbs- und Kartellrecht, den gewerblichen Rechtsschutz und das Arbeits- und Sozialrecht, die zahlreiche Besonderheiten gegenüber dem kontinentalen Recht aufweisen, wobei aber insbesondere das europäische Markenrecht immer mehr “amerikanisiert” wird. Die diesbezüglichen Darstellungen sind angesichts des zur Verfügung stehenden Raumes eher skizzenhaft. Auch zum Straf- und Strafprozessrecht findet sich ein exzellenter Überblick. Problematisiert wird hier übrigens auch die inzwischen politisch ein wenig unter Druck geratene Verhängung der Todesstrafe in den USA, auch wenn der Verfasser gegenüber einer Abschaffung angesichts der Verfassungsentwicklung eine tiefe Skepsis äußerst, die hochgeschraubte Erwartungen dämpfen dürften, auch wenn diese Entwicklung wünschenswert ist. Im Anhang findet sich eine Übersicht über die zitierten Entscheidungen.

Das Werk von Hay ist der ideale Ausgangspunkt für eine Entdeckungsreise in die faszinierenden  Rechtsordnungen der USA.

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