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Rezensionen juristischer Literatur

Ein Überblick über die Geschichte der Testamente

W. Zimmermann, Testamente und Erbstreitigkeiten, 2018, C.H.Beck

Eine Rezension zu:

 Testamente und Erbstreitigkeiten | Zimmermann, 2018 | Buch (Cover)

 Walter Zimmermann

Testamente und Erbstreitigkeiten

Von Kriemhild bis Cornelius Gurlitt

Einzeldarstellung

 Erstauflage

 München: C.H.Beck, 2018, Buch. X, 269 S. Hardcover, 24,90 Euro

ISBN 978-3-406-73023-8

 www.beck-shop.de

Gültige Testamente (oder Erbverträge) sollen Erbstreitigkeiten vorbeugen. Oftmals stiften sie aber – gewollt oder ungewollt – Verwirrung und Unfrieden unter den Hinterbliebenen. Diese kulturgeschichtliche Veröffentlichung enthält interessante Elemente zu einer Geschichte der Testamente aus sieben Jahrhunderten. Sie zeigt auch wie die Entwicklung des Testamentswesens mit der jeweiligen gesellschaftlichen Struktur verbunden ist, die sie in einem letzten Willen oftmals wiederspiegelt.

Natürlich geben die Testamente auch oftmals Einblick in die Vermögensverhältnisse und die Familienverhältnisse. Der Leser kann aus diesem Buch für die Testamentsgestaltung viel “mitnehmen”, da die Beispiele gut ausgewählt sind. Es sind viele Fälle dabei, die die Geschichte des Erbrechts und das Erbrecht geprägt haben. Die Darstellungen sind sehr vielschichtig und gehen auch auf die entstandenen Rechtsprobleme intensiv ein.

Erfasst werden in diesem Buch Testamente aus dem deutschsprachigen Raum von 1321 bis in die heutige Zeit. Testamente sind oftmals nicht nur juristische Akte, sondern geben auch Einblick in die konkreten Verhältnisse des Testators. Wie der Verfasser im Vorwort treffend schreibt, sind Testamente von Laien oftmals ergiebiger als von Notaren professionell erstellte Testamente oder Erbverträge. Sie sind oftmals auch deutlich schwieriger zu handhaben. Natürlich haben Testamente auch steuerliche Folgen, die in einigen Fällen behandelt werden.

Das Buch geht aber nicht nur auf Testamente ein, sondern auch in geeigneten Fällen auf die Erbstreitigkeiten ein, die aus solchen Testamenten resultierten und oftmals Gegenstand öffentlicher Debatten sind (wie etwa derzeit in Frankreich der Nachlass von Johnny Hallyday). In vielen Fällen geben die Kapitel ergänzende biographische Informationen, da Testamente und Nachlassstreitigkeiten in Biographien gerne ausgeblendet werden.

Nach einer kurzen Einführung in die Testamentsgestaltung werden ausgewählte Fälle von Kriemhild bis Cornelius Gurlitt dargestellt. In biographischen Skizzen werden bekannte Personen dahingehend vorgestellt, wie sie ihr Erbe geregelt und welche Streitigkeiten sich daraus entwickelt haben.

Das Buch gibt Einblick in ihre Lebenswirklichkeit, ihre Wertvorstellungen und Vorlieben, wie sie sich in ihren Testamenten widerspiegeln, und nicht zuletzt in ihre Vermögensverhältnisse. Das sehr spannend geschriebene Buch mach deutlich, dass manche Überlegungen zu erbrechtlichen Gestaltungen über Jahrhunderte unverändert bleiben, sich im Laufe der Jahrhunderte aber auch fundamentale Änderungen ergeben haben. Erbstreitigkeiten vorzubeugen kann eine sehr komplizierte Angelegenheit sein.

Vorgestellt werden u.a.:

  • Kriemhild: Erbteilung im Nibelungenlied
  • Erasmus von Rotterdam: der vor dem Tod verteilte Nachlass
  • Martin Luther, der “Notar Gottes”
  • Immanuel Kant: Jura war nicht sein Fach
  • Ludwig van Beethoven: ein zeitgeschichtliches Dokument
  • Johann Wolfgang von Goethe: Arbeit am Detail
  • Constanze Mozart: wie man aus Schulden Geld macht
  • Arthur Schopenhauer: das Testament als Kunstwerk
  • Kaiserin Elisabeth (Sisi): anders als ihr Bild
  • Kaiser Franz Joseph I.: ein reicher Mann
  • König Otto I. von Bayern: Probleme mit der Erbschaftssteuer
  • Franz Kafka: ein unerfülltes Testament
  • Wittelsbacher Nachlass: die Lösung des Problems der Fürstenabfindung
  • Thurn und Taxis: Kulturgutsicherung bei einem ehemaligen Fideikommisvermögen
  • Eva Braun: Verteilung eines Nachlasses an Freunde und Verwandte
  • Adolf Hitler: die NSDAP als Erbin…
  • Albert Einstein: einer der interessantesten Erbrechtsstreitigkeiten der Geschichte
  • Alfried Krupp: wie man Stiftungen gewinnbringend im Erbrecht einsetzt
  • Georg Frey (Lodenfrey): die Käfersammlung als Nachlassgegenstand
  • Axel Springer: 30jährige Testamentsvollstreckung
  • Willy Brandt: die Kommerzialierung von Persönlichkeitsrechten durch Erben
  • Dresdner Frauenkirche: Spenden aus dem Nachlass für den Wiederaufbau
  • Niklas Luhmann: der Zettelkasten und eine unprofessionelle Nachlassplanung
  • Cornelius Gurlitt: Streit um die Testierfähigkeit.

Das Buch ist geschrieben für Leser mit rechts- und kulturgeschichtlichem Interesse und solche, die sich schon selbst Gedanken über ihren Nachlass machen. Auch für Juristen, die auf diesem Gebiet tätig sind, ist das Buch sehr nützlich.

Wie die kurz kommentierte Auflistung zeigt, werden in jedem Kapitel Rechtsprobleme aufgeworfen, die heute – unter anderen rechtlichen Bedingungen – durchaus wieder auftreten könnten. Dies zeigt etwa das Kapitel über den berühmten deutschen Soziologen Niklas Luhmann – der von Haus aus Volljurist war – bei dem der Verfasser leise Zweifel an der Entscheidung des OLG Hamm äußert. Es ging in diesem Fall zentral um Urheberrechte und deren Verwertung, bei einem nicht klar formulierten Vermächtnis bei gesetzlicher Erbfolge.

Alle Kapitel regen den Leser zum Weiterdenken der Argumente ein und geben gute Beispiele für die Testamentsgestaltung, da hier viele schwierige Fälle versammelt sind, wofür etwa die Namen Albert Einstein oder Krupp stehen, dessen Testament viele Nachahmer im Sinne eines Modells für die Nutzung von Stiftungen bei unternehmerischen Vermögensnachfolgen hatte. Viele dieser Fälle haben das Erbrecht geprägt.

Das Buch ist sehr interessant und sehr, sehr lesenswert!

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