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Rezensionen juristischer Literatur

Emmerich/Lange – Unlauterer Wettbewerb

Emmerich,/Lange Unlauterer Wettbewerb, 11. Aufl., 2019, C.H.Beck

Eine Rezension zu:

Abbildung von Emmerich / Lange | Unlauterer Wettbewerb | 11. Auflage | 2019

 Volker Emmerich/Knut Werner Lange

Unlauterer Wettbewerb

Reihe: Juristische Kurzlehrbücher

11. Auflage

München: C. H. Beck, 2019, 418 S., 34,90 Euro

 ISBN 978-3-406-72639-2

 www.beck-shop.de

Die Vorauflage aus dem Jahr 2016 war erwartungsgemäß veranlasst durch die UWG – Novelle aus dem Jahr 2015, während die Neubearbeitung – verbunden mit einem teilweisen Bearbeiterwechsel – die Erfahrungen mit dieser Novelle eingehend aufarbeitet, unter Einschluss der Erfahrungen mit den – weitgehend europarechtlich veranlassten – vorherigen UWG – Reformen. In der Neuauflage werden diese Erfahrungen dogmatisch reflektiert und kritisch aufgearbeitet. Selbstredend sind aber auch alle anderen Entwicklungen eingehend eingearbeitet worden, da diese Materie von Haus aus sehr dynamisch ist. Das Buch ist erneut weitgehend neu verfasst worden.

 Das Werk enthält eine Gesamtdarstellung des Wettbewerbsrechts unter umfassender Berücksichtigung der europarechtlichen Besonderheiten.
Es legt die Grundprinzipien dar und nimmt ausführlich Stellung zu Problemen und liefert so eine Argumentationsbasis für Studium und spätere Praxis.

Selbstredend berücksichtigt die Neuauflage das neue Gesetzes über den Schutzvon Geschäftsgeheimnisse n einschl. einer Darstellung des neuen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Schutzsystems nach Streichung der Strafvorschriften des UWG. Bereits berücksichtigt wird der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs. Die Stärke dieses Lehrbuches, das auch für die Praxis interessant ist, liegt insbesondere in der ausführlichen Behandlung neuer,  internetbasierter Werbeformen mit den Besonderheiten der mobilen Telekommunikation, wie etwa influencer marketing, domain-Schutz, soziale Medien und Bewertungsplattformen, die jeweils kritisch vor dem Hintergrund vorhandener Lösungsansätze diskutiert werden. Rechtsprechung und Literatur werden auf dem Stand von Dezember 2018 wie gewohnt intensiv ausgewertet. Berücksichtigt wird auch das elektronisches Schutzschriftenregister, dessen Bedeutung bislang eher gering ist.

Die Neuauflage reflektiert alle aktuellen Entwicklungen sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene, die in den letzten Jahren zu gravierende n Änderungen im Recht des unlauteren Wettbewerbs und des vorherrschenden Rechtsverständnisses geführt haben, die von den Gerichten berücksichtigt werden müssen. Die Ausführungen orientieren sich an dieser Rechtspraxis, nutzen diese aber auch Grundlage zu einer dogmatisch orientierten Kritik. Dabei geht es um nichts weniger, als die Reichweite wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, die Stärkung von Verbraucherrechten (gerade bei Abmahnfällen) und die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen, um drei aktuelle Themenbereiche herauszustellen. Sämtliche relevanten Entwicklungen werden in der Neuauflage umfassend und prägnant in einer der systematischsten Darstellungen dieser Materie gewürdigt.

Das Werk enthält eine kritische Gesamtdarstellung des Wettbewerbsrechts auf aktuellem Stand und unter umfassender Berücksichtigung der europarechtlichen Besonderheiten, die das UWG mehr und mehr prägen.

Das exzellente Lehrbuch ist ein unverzichtbares Standardwerk und auch für die Praxis von erheblichem Interesse. Die Ausführungen gehen etwa insbesondere auf die Auswirkungen der Änderungen der §§ 2, 3, 4 und 5 UWG mit den neu eingefügten §§ 3 a und 4 a UWG aus dem Jahr 2015 und die bislang ergangene Rechtsprechung ein.

Die wesentlichen Änderungen betrafen folgende Bereiche:

  • In § 2 UWG (Definitionen) wird in Nummer 7 die fachliche Sorgfalt jeweils gegenüber Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern und Mitbewerbern definiert. In einer neuen Nummer 8 wird die Definition der “wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers” aus der Richtlinie 2005/29/EG eingefügt, die sodann in § 3 UWG aufgegriffen wird.
  • Die Generalklausel in § 3 UWG (Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen) wird klarer gefasst. Dadurch werden die Maßstäbe für unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern (B2C) einerseits sowie im Verhältnis von Unternehmern zu anderen Unternehmern, d. h. Mitbewerbern bzw. zu sonstigen Marktteilnehmern (B2B), andererseits auch gesetzessystematisch klarer unterschieden. Dies hat zur Folge, dass nun auch der Begriff der Unlauterkeit für den Nichtverbraucherbereich in Absatz 3 definiert wird. Der Gesetzgeber dokumentiert damit ausdrücklich die Verbindung mehrerer Schutzkonzeptionen im UWG.
  • § 4 UWG regelt nun Beispiele für Verstöße gegen die fachliche Sorgfalt. Dadurch wird klargestellt, dass es sich hier nicht um einen eigenständigen Katalog von Per-se-Verboten handelt, sondern die Anwendung unter dem Vorbehalt weiterer Voraussetzungen des § 3 Absatz 2 oder 3 steht. Die – aufgrund der Rechtsprechung des EuGH inzwischen ohnehin bedeutungslose – Regelung des § 4 Nummer 6 (”Koppelungsverbot”) wird gestrichen.
  • Mit § 4 a UWG (Aggressive geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern) wird im Hinblick auf die ausführlichen Regelungen des Artikels 8 (Aggressive Geschäftspraktiken) und des Artikels 9 (Belästigung, Nötigung und unzulässige Beeinflussung) der Richtlinie 2005/29/EG eine eigene Regelung hinsichtlich aggressiver geschäftlicher Handlungen geschaffen.
  • In § 5 UWG (Irreführende geschäftliche Handlungen) wird deutlich gemacht, dass die jeweilige irreführende Handlung geeignet sein muss, die Entscheidungsfreiheit des Adressaten zu beeinträchtigen.
  • Die Regelung des § 5 a UWG (Irreführung durch Unterlassen) wird in Absatz 2 für Verbraucher stärker an die Terminologie der Richtlinie 2005/29/EG angepasst und durch weitere, bisher nicht ausdrücklich genannte Merkmale ergänzt. Die bisher in Absatz 2 enthaltene Regelung zu Beschränkungen des Kommunikationsmittels wird hinsichtlich des Wortlauts der Richtlinie präzisiert und in einen eigenen Absatz verschoben.

Die Konzeption besticht durch eine stringente Systematisierung des Stoffes. Behandelt werden mehr oder weniger alle maßgeblichen Fragen des Lauterkeitsrechts, selbstredend mit Ausblicken auf das Kartellrecht, dem Urheberrecht und dem gewerblichen Rechtsschutz, soweit erforderlich. Die Darstellung ist durchaus auch für die Praxis interessant und kann neben der Verwendung als Lehrbuch auch als Handbuch verwendet werden, zumal die Nachweise eine nahezu “kommentarübliche” Dichte aufweisen.

In der Einführung wird insbesondere die Gesetzgebungsgeschichte des UWG aufgezeigt, ohne deren Kenntnisse sich das UWG teilweise nicht sachgerecht anwenden lässt. Unter rechtsvergleichenden Aspekten sehr interessant ist der Überblick über das internationale Wettbewerbsrecht in § 2. Der Text enthält etwa auch kurze Hinweise mit interessanten Fundstellen zum Wettbewerbs ausgewählter Staaten Europas, so zur Rechtslage in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Italien, Benelux-Staaten, Niederlande, Spanien, Vereinigtes Königreich und Irland.

Die §§ 3 – 5 a behandeln die Grundlagen des deutschen Lauterkeitsrechts in seiner jetzigen Form, gehen aber in § 5 auch eingehend auf das internationales Privatrecht und das Spannungsverhältnis zwischen Marktortprinzip und Herkunftslandprinzip sowie auf die inzwischen maßgebliche ROM – II – VO, die in Art. 6 Abs.1 und 2 und Art. 4 ROM-II-VO eine kollisionsrechtliche Spaltung zwischen marktbezogenen Handlungen, die Verbraucherbelange betreffen (Marktortprinzip) und marktbezogenen Verstößen, die betriebs – oder konkurrentenbezogen sind (Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes, hilfsweise das Recht des Erfolgsortes, sofern keine engere Bindung zu einer anderen Rechtsordnung besteht).

Die Strukturierung der zentralen UWG – Verletzungstatbestände ist erneut verfeinert worden, nimmt die Neuerungen in die Struktur auf und unterscheidet überzeugend zwischen der Verletzung von Interessen der Mitwettbewerber (B2B), der Verletzung der Interessen der Abnahmer (B2C) und der Verletzung von Interessen der Allgemeinheit. Ohnehin wird die Vermengung zwischen Konkurrentenschutz und Verbraucherschutz immer mehr zum lauterkeitsrechtlichen Problem, was sich durch die Reformen der letzten Jahre nicht geändert hat. Diese Strukturierung zeigt, dass bereits durch Systematisierung der Zugang zum Verständnis der Normen erleichtert werden kann.

Das Buch erläutert die Fallgruppen nach typisierten Interessenlagen aus der Sicht der Verletzung der Interessen der Mitwettbewerber (B2B), der Verletzung der Interessen der Abnehmer und der Verletzung von Interessen der Allgemeinheit, gefolgt von einer intensiven Darstellung der möglichen Sanktionen mit einer kritischen Darstellung der Abmahnpraxis

Kritisch untersucht wird insbesondere der Begriff der Wettbewerbshandlung in § 2 UWG, auch in Bezug auf Sonderfälle, etwa bei Äußerungen von Medien, Wissenschaft, Religionsverbänden und Politik in Medien, mit Bezug zu geschäftlichen Handlungen. Die zentrale Norm des nunmehr neugefassten § 3 UWG wird zunehmend funktional verstanden, was die Notwendigkeit weiterer Präzisierung nicht ausschließt, wobei treffend betont wird, dass sich jede auf die Generalklausel gestützte Entscheidung im Rahmen insbesondere der Grundrechte halten muss und stets eine Überprüfung darauf stattfinden muss, ob sie die Funktionsfähigkeit eines durch den Wettbewerb gesteuerten Wirtschaftssystems fördern oder behindern.

Das UWG ist entwickelt worden als ein Mittel des deliktsrechtlichen Konkurrentenschutzes. Dessen wichtigste Fallgruppen werden hier systematisch dargestellt. Die Darstellung setzt insoweit ein, mit einer kritischen Darstellung des Behinderungswettbewerbs, der nur in engen Grenzen wettbewerbsrechtlich unterbunden werden kann, weil die Freiheit des Wettbewerbs stets zu beachten ist und insoweit nur krasse Ausnahmeerscheinungen sanktioniert werden sollten. Emmerich warnt insoweit mit Recht vor der Verwendung allgemein gehaltener Definitionen und sieht den Anwendungsbereich des § 4 Nr.10 UWG auch als vom Wortlaut zu weit gezogen an, so dass diese Norm restriktiv zu interpretieren ist. Es wäre müßig an dieser Stelle auf Einzelheiten einzugehen. Jedenfalls wird in diesem Rahmen auch die vergleichende Werbung, der Stufenwettbewerb, die Anschwärzung und Geschäftsehrverletzung, der Geheimnisverrat und der schwer zu handhabende wettbewerbsrechtliche Schutz vor Leistungsausbeutung sehr übersichtlich dargestellt.

Das 3. Kapitel behandelt die Verletzung der Interessen von Abnehmern, einsetzend mit einer klaren Darstellung der Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfreiheit, etwa durch “manipulierende” Werbung, wobei die Entwicklungen seit der Reform von 2008 eingehend berücksichtigt werden. Auf den neuen § 5a UWG wird näher eingegangen. Die Entwicklung ist hier sehr im Fluss, so dass jede Darstellung ein wenig den Charakter einer “Momentaufnahme” hat, da die Rechtsprechung in diesem Bereich ständig in Bewegung ist. Der interessierte Leser findet hier eine kritische Aufarbeitung der Debatte, die einmündet in dogmatische Kritik, etwa des zu weit geratenen § 4 Nr.1 UWG. Erörtert wird in diesem Kapitel in sehr umfassender Weise die Irreführungsproblematik, die Preiswerbung und die Probleme rund um geschäftliche Bezeichnungen, unter eingehender Berücksichtigung der Domainnamen.

Kapitel 4 stellt die Verletzung der Interessen der Allgemeinheit dar und enthält hier eine prägnante Darstellung des “Rechtsbruchs” nach § 4 Nr.11 UWG. Die Darstellung nach Schutzzielen mag gewisse Überschneidungen hervorrufen, ist aber ungeachtet dessen geeignet, die wettbewerbsfunktionalen Aspekte schärfer zu konturieren, zumal die funktionale Betrachtungsweise heute die Dogmatik des UWG beherrscht. Besonders lesenswert sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen zur Vereinbarung dieser Norm mit der UGP – Richtlinie, die dazu führt, dass Verstöße gegen Informationspflichten im Verhältnis zu Verbrauchern in Abgrenzung zu § 5 a UWG mit Rücksicht auf die mit der Richtlinie insoweit angestrebte Vollharmonisierung des Lauterkeitsrechts nur dann noch unter § 4 Nr.11 UWG fallen, wenn die fraglichen Pflichten ihre Grundlage im Unionsrecht haben.

Kapitel 5 stellt die maßgeblichen Sanktionen dar, so auch die Grundlagen der wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung, die Abmahn- und Klagebefugnis und das gesamte, relevante Anspruchssystem, das aus dem Deliktsrecht entwickelt wurde. Nur kurz werden strafrechtliche Fragen gestreift, um in Kapitel 6 die wesentlichen Verfahrensfragen zu erörtern, die dieses Rechtsgebiet sehr prägen. Dieses Kapitel enthält insoweit die Grundstrukturen für das Verfahrenssystem im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes.

Dieses seit Jahren eingeführte Lehrbuch gehört seit langen Jahren zu den besten seiner Art und bietet in der Neuauflage die gewohnte kritische Momentaufnahme der aktuellen Situation des Rechts des unlauteren Wettbewerbs.

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