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Rezensionen juristischer Literatur

Was ist Gerechtigkeit?

Heinrich Honsell, Was ist Gerechtigkeit?, 4. Aufl., 2020, C.H.Beck

Eine Rezension zu:

Abbildung von Honsell | Was ist Gerechtigkeit? | 4. Auflage | 2019

Heinrich Honsell

Was ist Gerechtigkeit?

Einzeldarstellung

München: C.H.Beck, 4. Auflage 2019. Buch. VIII, 216 S. Softcover,

ISBN 978-3-406-75153-0

– In Gemeinschaft mit Stämpfli/Bern und Manz/Wien –

Das nunmehr in vierter Auflage vorliegende Standardwerk nähert sich dem Thema der Gerechtigkeit überwiegend historisch. Gerechtigkeit ist dialektisch verbunden mit Unrecht. Erst vor dem Hintergrund des Unrechts lässt sich Gerechtigkeit beschreiben, wenn auch kaum positiv definieren. Dieses Thema ist der Antike eines der Kernbereiche der Rechtsphilosophie, dem sich viele Autoren in sehr unterschiedlicher Weise genähert haben. Es ist natürlich eine Frage der Bewertung eines Vorgangs, eines Verfahrens und eines Ergebnisses, ob es gerecht oder ungerecht ist.
Allgemein beschrieben ist Gerechtigkeit zunächst einmal ein uralter Menschheitstraum seit der griechischen Antike und zugleich ein höchst aktueller Diskussionsgegenstand, dessen Parameter für die soziale Gerechtigkeit gerade neu bestimmt werden könnten.  Fast jeder politische Diskurs dreht sich um Gerechtigkeit: Generationengerechtigkeit, Steuergerechtigkeit, Gerechtigkeit der Güterverteilung im Staat und viele Gerechtigkeiten mehr. Gerechtigkeit muss das ideal eines demokratischen Rechtsstaates sein, ohne dass sich eine allgemeingültige Definition erarbeiten lässt. Es lassen sich immer nur Aspekte beschreiben und Ergebnisse überprüfen. Dieser Überprüfungsvorgang macht Gerechtigkeit subjektiv auch zu einer Tugend, wie dies bereits Aristoteles gesehen hat. Die Zusammenhänge der Thematik mit dem Naturrecht und seiner Entwicklung liegen auf der Hand. Aspekte sind Fairniss, Toleranz, Gleichheit und Angemessenheit, wobei sich erhebliche Bezüge zur Ethik ergeben.
Dieses Buch nähert sich dem Phänomen „Gerechtigkeit“ zunächst historisch. In den ersten Kapiteln werden insbesondere jene ideale Ideale diskutiert, die in der französischen Revolution erstmals zur Blüte kamen (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, soziale Gerechtigkeit), um wenig später sogleich wieder pervertiert zu werden. Zwischen Gerechtigkeit und Unrecht liegt oftmals nur ein schmaler Grad. Dieses Buch spricht diese Zusammenhänge deutlich an und kommt im vierter Kapitel schnell auf eine Kerndebatte: Naturrecht vs. Positivismus, dass sich in der Dichotomie strenges Recht vs. Billigkeit sehr konkret ausdrücken kann. Derzeit wird das Thema anderweitig aktuell, da die bürgerlichen Freiheiten derzeit zum Schutze aller beschränkt werden müssen. Wieweit ist auch eine Frage der Gerechtigkeit.

Die weiteren Kapitel zeigen, dass die Ideengeschichte objektiv eine unserer wichtigsten Erkenntnisquellen ist, wobei sich erstaunliche «anthropologische Konstanten» zeigen. Schnell aber ist man auf diesem Weg bei aktuellen Diskussionen: Wie gerecht ist unser Gemeinwesen?

Inhalt

  • Historische Hintergründe
  • Ist unser Strafrecht aktuell und gerecht?
  • Ist unsere Steuerpolitik gerecht?
  • Wie gerecht ist unsere Umweltpolitik?
  • Sind die internationalen (Finanz-) Märkte gerecht?

Es ist der Vorteil dieses interessanten Bandes, dass er nicht nur historisch an dieses Thema herangeht, sondern das Thema auch sehr konkret an aktuellen Brennpunkten diskutiert, so etwa anhand der europarechtlichen Verteilungsgerechtigkeit hinsichtlich der Geldpolitik der EZB, mit einer sehr interessanten, kritischen Auseinandersetzung, die aktueller ist, denn je. Diskutiert werden auch Aspekte einer globalen Gerechtigkeit. Die zentrale These des Bandes lautet, dass sich die Existenz einer materialen Gerechtigkeitsethik jenseits des positiven Rechts und der Zusammenhang mit der Problematik der Freiheit nicht leugnen lässt und zwar im Sinne der Einforderung von Humanität.

Der sehr lesenswerte Band bietet mehr als einen  historischen Abriss über Gerechtigkeit allgemein und fasst jene Punkte sehr kritisch zusammen, bei denen „Gerechtigkeit“ eine Rolle spielt.

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