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Rezensionen juristischer Literatur

Großkommentar zur Produzentenhaftung 2020

Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler, Produzentenhaftung, 2020, ESV

 Eine Rezension zu:

Produzentenhaftung - Abonnement – Ergänzbares Handbuch zur gesamten Produkthaftpflicht für die juristische Praxis sowie für Hersteller, Händler, Importeure und Exporteure mit Erläuterungen und den einschlägigen Vorschriften und Entscheidungen im nationalen, supranationalen und internationalen Bereich

 

Eine Rezension zu:

Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler (Hrsg.)

Produzentenhaftung

Ergänzbares Handbuch zur gesamten Produkthaftpflicht 

für die juristische Praxis sowie für Händler, Importeure und Exporteure mit Erläuterungen und den einschlägigen Vorschriften und Entscheidungen im nationalen, supranationalen und internationalen Bereich

4. Ordner, Loseblatt, mit Ergänzungslieferungen
Stand:  2020 (Lieferung: 3/19)

Berlin: Erich-Schmidt-Verlag

ISBN 978 3 503 01849 9

www.esv.info/9783503018499.html

Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler geben das entscheidende deutsche Werk zur Produzentenhaftung in jetzt vier Loseblattordnern heraus. Eine Verbindung von Kommentar, Handbuch, Gesetzes- und Entscheidungssammlung, die jeder benutzen muss, der mit diesem Rechtsgebiet näher zu tun hat oder irgendwie zu tun bekommt.

Der erste Ordner enthält neben den Verzeichnissen die nationalen wie supranationalen Rechtsgrundlagen im Wortlaut. Vorgeschaltet sind dem Literaturverzeichnisse zu den im Text erläuterten Strukturen der Produkthaftung. Die Gesetzessammlung besticht durch Vollständigkeit. Hinsichtlich des supranationalen Teiles werden nicht nur die europäischen Regeln – und unter diesem Titel auch das CISG (übrigens dreisprachig) – wiedergegeben, sondern auch die maßgeblichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, denen hinsichtlich der Produkthaftungsgesetze eine sehr hilfreiche synoptische Übersicht vorangestellt ist. Hier finden sich auch Vorschriften, teilweise nebst Verwaltungsvorschriften, die man sonst langwierig aus einzelnen Sammlungen zusammensuchen muss, sofern man nicht auf Datenbanken zurückgreifen kann oder will.

Der Erläuterungsteil des ersten Ordners widmet sich der Rechtslage in Deutschland und dies in jeder Hinsicht umfassend und prägnant. Die Einleitung von Pfister problematisiert die Grundzüge, gibt einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung und arbeitet die Zwecke der Produzentenhaftung souverän heraus. Er weist völlig zu Recht auf die Eigentümlichkeit hin, dass dieser Bereich in Deutschland erst seit etwa 1960 unter dogmatischen Aspekten diskutiert wird, wohingegen die Entwicklungsgeschichte dieses Teilrechtsgebietes in den USA noch in das vorige Jahrhundert verweist. Gerade der Bereich der Produzentenhaftung ist von einer deutlichen Rezeption von US-Recht gekennzeichnet. Gleichwohl hat als wohl erster Fall dieser Art der “Brunnensalzfall” das RG bereits 1914 beschäftigt, ohne jedoch dogmatischen Widerhall in der Zivilrechtswissenschaft zu finden. Das hat sich vornehmlich unter rechtsvergleichenden Aspekten seit den 60ern geändert, wie die Übersicht über die verschiedenen Lösungsmodelle zeigt. Gleich anschließend diskutiert Messer die Produzentenhaftung aus Vertrag als ein sehr begrenztes Modell der Produzentenhaftung, das insoweit auf der kaufrechtlichen Gewährleistung beruht, einem insoweit sehr begrenzt funktionstüchtigen Problemlösungsmodell, wie sich anhand der Mangelfolgeschäden schnell zeigt. Probleme traten in dieser Hinsicht schon früh bei der Konkurrenz der PVV zu den kaufrechtlichen Schadensersatzansprüchen auf, wenn es um Mangelfolgeschäden ging.

Die nach wie vor problematischen Konstellationen werden unter erschöpfender Analyse der weitverzeigten Judikatur eingehend dargestellt, wobei – wie bei allen anderen Darstellungen auch – Beweisfragen eine hohe Priorität bei der Darstellung zukommt. Die Kommentierungen werden je nach Bedarf von Ergänzungslieferung zu Ergänzungslieferung problemorientiert vorangetrieben. Die Darstellungen selbst sind zu vielschichtig und umfassend, um im Rahmen einer Rezension auf Einzelprobleme eingehen zu können. Geradezu meisterhaft ist die Darstellung von Kullmann zur Produzentenhaftung aus § 823 I BGB, die angesichts der begrenzten vertragsrechtlichen Problemlösungsadäquanz bis zur Verabschiedung der europarechtlich veranlassten speziellen gesetzlichen Produzentenhaftung die Hauptrolle spielt und auch heute noch eine zentrale Bedeutung hat, angesichts der Lückenhaftigkeit der angesprochenen speziellen Regelungen.

Besondere Beachtung verdient hat in diesem Zusammenhang die Darstellung der Verkehrssicherungspflichten. Kullmann untersucht anschließend in einer ebenfalls vorbildlichen Darstellung die Produzentenhaftung aus § 823 II BGB und gibt hier auch einen Überblick über die wichtigsten Schutzgesetze. Einzelne Schutzgesetze von besonderer Praxisrelevanz werden gesondert erörtert, wie etwa das LMBG oder das AMG.

Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen zu den §§ 4, 5 ProdSG, die den Charakter eines Schutzgesetzes nach § 823 II BGB haben und dessen Änderungen mit der 54. Auflage eingearbeitet wurden. Die Lieferung 3/13 vertieft diese Aspekte. Bei dieser Gelegenheit wird das Schutzsystem dieses Gesetzes eingehend erläutert. Ebenfalls von Kullmann stammt die sehr intensive und wohl führende Darstellung zum ProdHaftG, die den engen Zusammenhang mit den europarechtlichen Vorgaben wahrt, ohne die nationalen Eigenheiten einzuebnen. Diese Kommentierung ist auch gesondert in Buchform erhältlich.  Einer besonderen Darstellung ist die Haftung nach dem AMG gewidmet.

Der zweite Teil des zweiten Ordners des Gesamtwerkes widmet sich zunächst in einer  Darstellung dem internationalen Privatrecht der Produzentenhaftung, gefolgt von Darlegungen von Pfister zum internationalen Zivilprozessrecht, mit Ausführungen insbesondere auch zum GVÜ. Von besonderer Bedeutung sind die darauffolgenden Hinweise für die Praxis. Im ersten Beitrag dieses Komplexes gibt Veltins Hinweise für Unternehmer, wobei sowohl Aspekte der unternehmensinternen Qualitätssicherung wie auch die ungemein wichtigen Fragen der versicherungsrechtlichen Bewältigung des Produkthaftungsfalles thematisiert werden, da für die Deckung zahlreiche Ausschlüsse auch dann bestehen, wenn eine Produkthaftpflichtversicherung über die Betriebshaftpflichtversicherung bestehen. Hinweise für die Verbraucher gibt Kullmann. Im Zentrum seiner exzellenten Darstellung steht das Verhalten des Verbrauchers nach dem Auftreten von Mängeln auch unter den Aspekten der Beweissicherung und der Vornahme notwendiger Ermittlungen. Die Ausführungen sind insbesondere für RAe interessant, die Verbraucher vertreten. Veltins gibt darüber hinaus noch Hinweise für den RA speziell und berücksichtigt dabei sowohl die Sicht des Herstellers als auch die Sicht des Geschädigten in sehr ausgewogener Weise. Dieser Teil wird abgeschlossen mit Hinweisen von Kullmann für das Gericht, die angesichts der eingehenden Erfahrungen des Verfassers als Revisionsrichter sicher nicht nur Richter interessieren, da hier etwa auch Hinweise für die Beweisaufnahme gegeben werden. Dieser Teil dürfte ohnehin in der produkthaftungsrechtlichen Literatur ohne Beispiel sein und für die Praxis aller Beteiligten geradezu inspirierende Funktion haben. Noch nicht thematisiert sind die Zusammenhänge der mehr und mehr diskutierten “Geplanten Obsolenz” mit der Produzentenhaftung, die erhebliche Beweisprobleme aufweist.

Der dritte Ordner des Gesamtwerkes stellt die Produkhaftungsrechte ausgewählter Staaten vor, allen voran natürlich der USA, deren Produkthaftungsrecht eingehend dargestellt wird, da es rechtsvergleichend vopn erheblicher Bedeutung ist. Die Darstellung ist auch für einen Leser informativ, der sich mit US-Recht noch nicht näher befasst hat. Da der Beitrag von einem Insider stammt, wurde er aus dem US-Amerikanischen von Walburga Kullmann-Thielbeer übertragen. Bereits das Entscheidungsregister gibt einen Einblick über die Dichte des Inhaltes. Der Beitrag analysiert diese Rechtsprechung – insbesondere zur strict liability – sehr eingehend und gibt überdies zahlreiche Hinweise für die Praxis. Den punitive damages ist in diesem Zusammenhang wegen ihrer Besonderheit und wegen ihrer weitreichenden Bedeutung ein besonderes Kapitel gewidmet. Veltins gibt im Anschluss daran Hinweise für US-Exporteure. Weiterhin behandelt werden die Rechte von Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweiz und Ungarn.

In einer überaus anregenden Weise werden auch die steuerrechtlichen Aspekte der Produkthaftpflicht in einem eigenen Teil dargestellt. Ein weiterer Teil behandelt die öffentlichrechtlichen Aspekte der Produkthaftung, insbesondere im Bereich der Verhütung von Arzneimittelgefahren. Dieser Teil scheint indessen noch ergänzungsbedürftig, auch wenn Kullmann auf das ProdSG im ersten Ordner bereits ausführlich eingegangen ist. Indessen wird das Thema der staatlichen Warnmöglichkeiten und ihrer jeweiligen Berechtigung immer mehr zum Thema. Ein weiterer wichtiger Teil beschäftigt sich mit versicherungsrechtlichen Fragen rund um die Produkthaftung, einsetzend mit produkthaftpflicht-versicherungsrechtlichen Fragen, die Nickel eingehend darlegt, wobei im Rahmen der Erörterung des besonderen Produkthaftpflichtversicherung auch die existenziellen Fragen der Deckungsausschlüsse sehr eingehend behandelt werden. Abgedruckt sind in diesem Zusammenhang auch die maßgeblichen AVB und etwa der Text des Produkthaftpflichtmodells.

Der vierte Ordner enthält die maßgebliche Rechtsprechung in entscheidenden Auszügen nebst einem nahezu erschöpfenden Rechtsprechungsregister, die kaum Wünsche offen lassen dürfte. Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang, dass die österreichische Rechtsprechung immer stärker Beachtung findet, indem entsprechende Entscheidungen aufgenommen wurden.

Die Lieferung 1/19 enthält ein Update zur Kommentierung des Werkbegründers zum ProdHaftG mit sehr grundlegenden Änderungen und Aktualisierungen. Dieses Update wird fortlaufende fortgesetzt, bis diese Kommentierung wieder den aktuellen Stand hat. Deutlich vertieft wurden die Erläuterungen zu § 823 Abs.1 BGB hinsichtlich der Themenkreise „Ursachenzusammenhang“ und Erfolgszurechnung“ sowie „Verschulden“.

Mit der Lieferung 2/19 wird die Neukommentierung des ProdHaftG beeindruckend fortgesetzt. Ein Update findet sich in der Darstellung zur Rechtslage in Italien. Mit der Lieferung 3/19 schließen Katzenmeier und Vogt ihre hochinteressante und alle aktuellen Fragen aufgreifende Kommentierung zum ProdHG ab. Diese Kommentierung ist auch in Buchform unter dem Titel „ProdHaftG“ als „Berliner Kommentar“ gesondert erschienen und hier rezensiert.

Diese Kommentierung mit Handbuchcharakter bietet den umfassendsten Überblick zur Produzentenhaftung in deutscher Sprache mit allen wesentlichen internationalen und rechtsvergleichenden Aspekten. An diesem Werk führt im Bereich der Produzenten – und Produkthaftung kein Weg vorbei.  

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