H. Schmidt, COVID-19 – Rechtsfragen zur Corona – Krise, 2020, Erstauflage, C.H.Beck
Eine Rezension zu:
Hubert Schmidt (Hrsg.)
COVID-19
Rechtsfragen zur Corona-Krise
Handbuch
Erstauflage
München: C.H.Beck, 2020. Buch. XXXVI, 718 S. Softcover, 44,90 Euro inkl. MwSt.
Bearbeitungsstand: April 2020 (!)
ISBN 978-3-406-75923-9
Format (B x L): 14,1 x 22,4 cm
Gewicht: 732 g
www.beck-shop.de
Das neue und allem Anschein nach auch das erste Handbuch zu den Auswirkungen von COVID-19 in rechtlicher Hinsicht, enthält alles, was man zu Rechtsfragen in der Corona-Krise wissen muss. Dieses Handbuch so schnell zu veröffentlichen, ist eine Meisterleistung von Verlag, Herausgeber und Autoren.
Die Corona-Krise stellt alle Gesellschaftsbereiche vor völlig neue Herausforderungen und zwar in weltweiten Maßstab. Internationale Zusammenarbeit wird ebenso erzwungen, wie ein rechtsvergleichender Blick in andere Länder, um zu sehen, wie diese die jeweils ähnlichen Probleme lösen. Das neue Handbuch beschäftigt sich mit Lösungsmodellen für die Bundesrepublik Deutschland in 18 Kapitel für jeweils einen anderen Rechtsbereich. Die Darstellungen bewegen sich unbeschadet des zeitlichen Drucks auf einem hohen Niveau und helfen Rechtsberatern, Verwaltungen, Justiz und allen zwangsläufig Interessierten, da diese Problematik alle betrifft, auch die die entstandenen Probleme leugnen wollen, warum auch immer.
Der Schutz der Gesundheit aller hat Vorrang vor den Interessen einzelner, aber dies geschieht nicht in einem rechtsfreien Raum, sondern stets auch vor dem Hintergrund der Verfassung und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zu trennen sind spezifische Regelungen für die Pandenmie, die der Gesetzgeber mit unbekanntem Verfallsdatum neu geschaffen hat und dem Einfluss dieser Pandemie auf bereits vorhandene Regelungen. Diese Zusammenhänge werden in den einzelnen Kapiteln sehr plastisch hergestellt. Die Krise zeigt aber auch die engen Verbindungen zwischen parlamentarischen und außerparlamentarischen, politischen Diskursen und der Rechtsentstehung und Rechtsanwendung. Von der Rechtsordnung werden Antworten auf die neuen Fragestellungen erwartet, auch im Sinne einer Hoffnung auf einen positiven Ausgang aus der Krise, die teilweise eine Katasstrophe ist, im Kontext vieler derzeitiger Katasstrophen.
Recht und Rechtsanwender nehmen die Herausforderungen dieser Krise aktiv an, aber es ist auch erforderlich die rechtlichen Regelungen zu reflektieren und kritisch zu bewerten, immer auch im Kontext einer Folgenabschätzung. Während zunächst die faktische Bewältigung von Aufgaben im Vordergrund steht, wird die rechtliche Beurteilung der Lebenssachverhalte nach und nach eine immer größere Bedeutung gewinnen, auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen, mit wahrscheinlichen Änderungen im Steuerrecht in der nächsten Zukunft.
Folgende Bereiche sind von Spezialisten des jeweiligen Rechtsgebiets im Hinblick auf spezifische Sachverhalte der Corona-Krise dargestellt:
- § 1 Allgemeines Leistungsstörungsrecht
- § 2 Kreditrecht
- § 3 Miete
- § 4 Wohnungseigentumsrecht
- § 5 Heimrecht
- § 6 Baurecht
- § 7 Reiserecht
- § 8 Vereins- und Genossenschaftsrecht
- § 9 Gesellschaftsrecht
- § 10 Sport
- § 11 Privatversicherungsrechtlich Fragen
- § 12 Transportrecht
- § 13 Zivilverfahren in Zeiten des Coronavirus
- § 14 Sanierung und Insolvenz
- § 15 Vergabe und EU-Beihilfenrecht
- § 16 Öffentliches Recht
- § 17 Entschädigungen
- § 18 Straf- und Strafprozessrecht.
Der Überblick ist recht vollständig. Wie beispielsweise der erste Beitrag von Lorenz zeigt, könnte der Erschütterung der Geschäftsgrundlage aus § 313 BGB in naher Zukunft eine bedeutendere Rolle zukommen, da Vertragsanpassungen oder Kündigungen als ultima ratio nicht ausgeschlossen werden können. Diesen Faden greift der folgende Beitrag von Knops zum Kreditrecht, besonders zum Verbraucherkreditrecht, aktiv auf und geht insbesondere auf temporär geltende Ausnahmeregelungen ein. Einflüsse lassen sich in allen Bereichen ausmachen, im Mietrecht ebenso wie im WEG und fast stets geht es um die Verlängerungen von Zahlungsterminen wegen der Einkommensverluste, Kündigungsausschlüssen aus sozialen Erwägungen oder auch um die Verschiebungen von Terminen bei der Leistungserbringung, etwa beim Bauvertrag. Die Beiträge gehen auf alle diese Details ein.
Die Pauschalreisebranche, der es schon vorher nicht gerade gut ging, ist fast zusammen gebrochen. Der Beitrag in § 7 beschäftigt mit den rechtlichen Fragen der Reiseunmöglichkeit in diesem Zeiten, die einen Schub zu einer Digitalisierung gerade zu erzwingt. Die Digitalisierung im Gesellschaftsrecht ist zentraler Schwerpunkt des Beitrags von Noack insbesondere hinsichtlich der Gesellschafterversammlungen, der aber auch auf die Haftung der Geschäftsleitung näher eingeht. Besonders wichtig sind die Ausführungen zu den insolvenzrechtlichen Änderungen und deren Auswirkungen, die auf starke Kritik gestoßen sind. Es ist ein nachvollziehbares Anliegen des Gesetzgebers Insolvenzen zu vermeiden, die aber möglicherweise zeitlich nur verschoben werden. Der Beitrag setzt sich im Detail mit diesen Fragen auseinander.
Europarechtliche Bezüge sind inbegriffen und werden insbesondere für das Beihilfenrecht thematisiert.
Es gibt derzeit gewisse Angebote Entschädigungsansprüche gegen Bund und Länder „recht einfach“ durchsetzen zu wollen, die jeder für sich bewerten sollte. Der ungemein lesenswerte Beitrag zu potentiellen Entschädigungsansprüchen sieht diese im Fazit realistisch sehr verhalten, aber ergebnisoffen, da das IfSG diese Entschädigungsansprüche – etwa sehr relevant für die Gastronomie – nur teilweise regelt und Eingriffe in das Recht am Unternehmen unter dem Aspekt des Sonderopfers bei enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffen nicht völlig auszuschließen sind. Die Klärung wird ein langer Weg werden. Die bisherige Verwaltungspraxis scheint eher ablehnend zu sein. Dieser Beitrag mag beispielhaft dafür stehen, was in diesem Band an gedankenreichen Überlegungen zu diesen Themen präsentiert wird.
Besonders geeignet für Rechtsanwälte, Berater, Unternehmen und Unternehmer, die öffentliche Verwaltung, Richter und Gerichte.
Das neue Handbuch bietet den derzeit umfassendsten Überblick in Buchform zur Thematik der rechtlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie für Deutschland. Es dürfte sich um eine der wichtigsten Veröffentlichungen im Bereich Recht des Jahres 2020 handeln.