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Rezensionen juristischer Literatur

Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis

S. Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 2. Auflage, 2020, Nomos

Eine Rezension zu:

978-3-8487-7632-0

Müller

Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis

Rechtshandbuch für die Arbeit 4.0

Von RA Dr. Stefan Müller, FAArbR

2. Auflage

Baden-Baden: NOMOS, 2. Auflage 2020, 284 Seiten, broschiert, 44,00 Euro inkl. MwSt.

ISBN 978-3-8487-7632-0

www.nomos-shop.de

Die Möglichkeit statt im Büro wenigstens teilweise in einem Homeoffice zu arbeiten, besteht grundsätzlich bereits seit einer Reihe von Jahren, mit vielen ungelösten Rechtsfragen. Aufgrund der infektionsrechtlichen Rechtslage mit erheblichen Auswirkungen auf das Arbeitsschutzregime führte die schwere COVID19-Krise zu einer erheblichen Ausweitung dieser Praxis, um eine Ausweitung der Infektionen zu unterbinden. Dieser Trend hält an, zumal unklar ist, wielange diese Entwicklung noch anhält und welche Maßnahmen wirklich Wirkung haben. Immerhin hat diese Entwicklung zu einer Ausweitung der digitalen Arbeitswelt geführt. Die mit dieser Entwicklung verbundenen, spezifisch arbeitsrechtlichen Probleme sind Gegenstand dieses Handbuchs, das diese Thematik umfassend und sehr systematisch darstellt.

Die Tätigkeit im Homeoffice war bereits vor Eintritt der Pandemie keine Seltenheit mehr, sei es für bestimmte Arbeitstage oder als Standalone-Version, mit vielen “Mischformen” dazwischen.

Es war schon vor Jahren abzusehen, dass die Tätigkeit im Homeoffice in der digitalisierten Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung gewinnt. Nach einer vom Digitalverband Bitcom in Auftrag gegebenen Umfrage vom September 2017, deren Ergebnisse im Februar 2018 veröffentlicht wurden, lassen knapp 40 % der Arbeitgeber einen Teil ihrer Mitarbeiter ganz oder teilweise von zu Hause aus arbeiten. Jedes zweite der befragten Unternehmen erwartet, dass der Anteil der Homeoffice-Mitarbeiter in den kommenden fünf bis zehn Jahre ansteigen wird. Es liegt auf der Hand, dass diese Formen der Telearbeit spezifische arbeitsrechtliche Probleme aufwerfen, die aber selten in einem Handbuch aufgearbeitet werden. Diese Thematik war bereits Gegenstand der ersten Auflage (2018) dieses interessanten Handbuchs.

Die Covid19-Krise hat zu einem exponentiellen Anstieg dieser Arbeitsformen geführt. Sehr viele Unternehmen haben auf die Arbeit zuhause umgestellt, die allerdings erhebliche Schwierigkeiten – nicht nur rechtlicher Art – bereiten kann. Dies fängt schon damit an, dass nicht jeder betroffene Arbeitnehmer über eine häusliche Umgebung verfügt, die für diese Praxis geeignet ist. In diesem Zusammenhang stellen sich eine Vielzahl von neuartigen und teilweise ungelösten arbeitsrechtlichen Fragestellungen, die die Neuauflage des Praxishandbuchs allesamt aufgreift. Die Erstauflage wird erheblich weiter entwickelt.

Betroffen sind u.a. folgende Aspekte:

• Anspruch auf Homeoffice bzw. Arbeiten im Betrieb
• Arbeits- und Gesundheitsschutz (IfSG, ArbSchG, ArbStättV, ArbZG u.a.)
• Daten- und Geheimnisschutz
• IT-Sicherheit (u.a. Nutzung privater Geräte)
• Kostentragung
• Versicherung und Haftung
• Anordnung und Beendigung (Weisungsrecht, Widerruf, Kündigung)
•  Beteiligungsrechte des Betriebsrats, ohne Anspruch auf Vollständigkeit dieser Auflistung.

Der Verfasser verbindet eine handbuchartige Darstellung mit einer Formularsammlung, weil zu jedem praktisch relevanten Aspekt auch ein Gestaltungsvorschlag individual – oder kollektivrechtlicher Art mit Erläuterungen angeboten wird. Dies erleichtert eine problemorientierte Vorgehensweise des Nutzers. Eingegangen wird auch intensiv auf Haftungsrisiken der Arbeitgeber und deren Berater.

Besonders hilfreich sind daher neben den Praxishinweisen für Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung die zahlreichen Formulierungsvorschläge, Checklisten und Beispielsfälle sowie konkrete Muster zur Homeoffice-Vereinbarung, Änderungskündigung und Versetzung.

Die sich hier stellenden Rechtsfragen und Rechtsprobleme sind oftmals sehr spezifisch und verzweigen sich in alle Details des Arbeitsrechts und gehen oftmals über den Bereich des Arbeitsrecht hinaus. Dies betrifft etwa das Zusammenwirken von Arbeitsschutzvorschriften mit den Vorschriften des Infektionsschutzregimes, die in sich bereits wegen des Zusammenwirkens von Bundesrecht, Landesrecht und Kommunalrecht nicht leicht durchschaubar sind. Selbstredend ist die Vermeidung von vielfältigen Haftungsrisiken und sonstigen Nachteilen ein Schwerpunkt des Bandes. Für Arbeitgeber ist die Kenntnis der mit der Einführung, Durchführung und Beendigung eines Homeoffice verbundenen Besonderheiten unerlässlich, zumal die Einführung auch arbeitsvertraglicher Regelungen bedarf, die unter Umständen mitbestimmungsrelevant sein können. Das Werk enthält eine vollständige Behandlung aller relevanten Aspekte an und löst diesen Anspruch auch ein. Dies gilt gerade auch in solchen Krisenzeiten. Am Ende einer Kurzarbeit kann durchaus auch ein Homeoffice stehen.

Das deutlich erweiterte und vertiefte Handbuch „Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis“ behandelt alle arbeitsrechtlichen Aspekte des Homeoffice und enthält eine Darstellung der praxisrelevanten Problemfelder. Die Darstellung orientiert sich an den Phasen der Homeoffice-Tätigkeit von der Einführung bis zur Beendigung. Hier bestehende Probleme in der Praxis werden offen angesprochen, da es sich nicht um ein Modell für alle denkbaren Tätigkeiten handelt. Infolgedessen werden auch die Vor- und Nachteile des Homeoffice eingehend dargestellt und rechtlich eingeordnet.

Das erste Kapitel setzt mit einer Klärung der Erscheinungsformen der Tätigkeit im Homeoffice ein und wägt die Vor- und Nachteile generell ab, um sodann die umstrittene Weisungsproblematik zu behandeln und grenzt diese Tätigkeit von selbständigen oder scheinselbständigen Tätigkeiten ab. Die Frage nach dem anwendbaren Recht kann sich hier verschärft stellen, weil in der digitalisierten Welt Erfolgsort und Arbeitsort weit auseinanderfallen können, so dass diesen Fragen eingehend aus der Sicht des IPR nachgegangen wird.

Im zweiten Kapitel werden alle relevanten Aspekte der Einführung einer Tätigkeit im Homeoffice in seinen diversen Varianten behandelt, ausgehend von den seltenen gesetzlichen Ansprüchen auf derartige Tätigkeiten, kollektivvertragliche Regelungen, Rechte des Arbeitgebers auf Einführungen im Rahmen seiner unternehmerischen Dispositionsbefugnis bis zur Homeoffice-Vereinbarung, für die eine interessante Checkliste präsentiert wird. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit der arbeitgeberseitigen Durchsetzung einer solchen Änderung durch eine Änderungskündigung. Der vorgeschlagene einvernehmliche Weg einer Vertragsergänzung ist aber bei weitem vorzuziehen und hierfür werden auch passende Klauselbeispiele angeboten.

Das dritte Kapitel geht eingehend auf die Durchführung ein, die viele Problemfelder aufweist, etwa auch hinsichtlich des Datenschutzes. Behandelt werden alle relevanten Aspekte von der Gestaltung des Arbeitsplatzes, arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen an das Home – Office, der Nutzung privater Arbeitsmittel (BYOD), den Anforderungen des Datenschutzes, der Kostentragung, Zutritts- und Kontrollrechten bis hin zu Fragen des Sozialversicherungsrechts, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und weiterer Aspekte. Die Darstellung in diesem Band ist sehr strukturiert und enthält viele Beispiele und Musterformulierungen. Erörtert wird auch die kritische Frage der Kontroll – und Zutrittsrechts, die für einen Datenschutzbeauftragte von Gesetzes wegen bestehen können.

Im Kapitel 5 geht es um die Beendigung der Tätigkeit, die nicht unbedingt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an sich zusammenfallen muss. Ein Arbeitgeber kann dieses Modell auch als wenig effizient (für alle oder einzelne Arbeitnehmer) bewerten, ohne das Arbeitsverhältnis insgesamt beenden zu wollen. Auf der anderen stellt sich angesichts der Krise die Frage, ob seitens des Arbeitnehmers ein Fortführungsanspruch aus Gründen des Arbeitsschutzes bestehen kann, etwa wenn ein Betrieb durch Infektionsfälle betroffen ist. Alle Beendigungsfragen unter Betonung der wirtschaftlichen Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers werden hier angesprochen, wobei ein Schwerpunkt auf der Änderungskündigung liegt.

Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit den Rechten der Betriebsverfassung in diesem Bereich, die vielfältig sind und im Detail dargestellt werden. Das Kapitel bietet insoweit eine Zusammenschau der Beteiligungsrechte des Betriebsrats, etwa aus §§ 80, 87, 99, 111f BetrVG. Auch in diesem Bereich besteht Spielraum für kollektivrechtliche Einigungsmöglichkeiten.

Da die Tätigkeit im Homeoffice auch Auswirkungen auf den Kündigungsschutz haben kann, wird dieser Bereich in Kapitel 6 kompakt dargestellt, etwa für die Möglichkeit einer anderweitigen Weiterbeschäftigung. Das Kapitel 7 widmet den Besonderheiten bei Streitigkeiten.

Ganz neu ist das Kapitel 8 mit dem Titel „Homeoffice in Krisenzeiten“, das sich etwa mit den Möglichkeiten konkludenter Home-Office-Vereinbarungen beschäftigt und insbesondere erörtert, ob aus § 106 GewO ein besonderes Weisungsrecht folgen kann, solche Arbeitsformen krisenbedingt kraft Weisungsrecht anzuordnen. Die Frage ist sehr umstritten und wegen Art. 13 GG überwiegend zu verneinen, aber unter Umständen zu bejahen, wenn sich existenzbedrohende Schäden abzeichnen, die zu einer Insolvenzsituation führen können und Pflichten des Arbeitnehmers aus §§ 241, 242 BGB, 14 ArbZG nach Durchführung einer Interessenabwägung auslösen können. Auf diese schwierigen Abwägungen wird im Detail eingegangen. Diese Ausführungen lassen sich überdies auf etwaig folgenden Epidemien/Pandemien übertragen.

Der interessante Anhang bietet zahlreiche Checklisten und Muster.

Der interessante, sehr kompakte Band bietet mit einer bestechenden Systematik erneut eine deutliche Bereicherung der arbeitsrechtlichen Literatur und ist als Praxiswerk bei allen Problemen und Gestaltungserfordernissen in diesem Bereich eine Informationsquelle ersten Ranges.

 

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