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Rezensionen juristischer Literatur

Der prägende Jahreskommentar zum StGB

Thomas Fischer, Strafgesetzbuch, 67. Auflage, 2020, C.H.Beck

 Eine Rezension zu:

Abbildung von Fischer | Strafgesetzbuch: StGB | 67. Auflage | 2020 | mit Nebengesetzen | Band 10

Thomas Fischer

Strafgesetzbuch: StGB

mit Nebengesetzen

 67. Auflage

München: C.H.Beck, 2020,  LXV, 2726 S. In Leinen, 95 Euro

ISBN 978-3-406-73879-1

Das Werk ist Teil der Reihe: Beck’sche Kurz-Kommentare; Band 10

Der Autor
Dr. Thomas Fischer war Vorsitzender Richter am BGH und ist Honorarprofessor an der Universität Würzburg.

Zur Zweiten Juristischen Staatsprüfung in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin/Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen zugelassen.

  www.beck-shop.de

Der Tradionskommentar wurde von Otto Schwarz begründet, von Eduard Dreher weitergeführt und bis zur 49. Auflage von Herbert Tröndle kommentiert. Ab der 50. Auflage wurde daraus “Der Fischer”, dessen Verfasser der in der “Breite” mutmasslich bekannteste Strafrechtler Deutschland ist und inzwischen aus dem BGH als Vorsitzender Richter ausgeschieden ist. Dieser Kommentar hat – als “Ein-Personen – Unternehmen” – seit der 50. Auflage immer stärkere Akzente gesetzt und bildet die gesamte Entwicklung im deutschen Strafrecht kritisch ab. Er ist das entscheidende Referenzwerk der Praxis für das StGB und einige strafrechtliche Nebengesetze. Nebenbei bemerkt sich auch die Artikel des Verfassers etwa im „Spiegel“ stets sehr lesenswert: https://www.spiegel.de/panorama/totschlag-in-augsburg-ein-merkwuerdiges-verbrechen-a-1300794.html

Die Darstellung orientiert sich zwar als Praxiskommentar überwiegend an der Rechtsprechung des BGH, versteht sich aber nicht als unkritisch. Bei nicht gefestigter Judikatur entwickelt der Kommentar immer sehr interessante Lösungsvorschläge und scheut auch vor rechtspolitischer Kritik nicht zurück, was letztlich jedenfalls auch der Sinn einer solchen Kommentierung ist. In keinem Falle wird die “herrschende Meinung” kritiklos abgebildet. Es geht vielmehr um einen systematischen Überblick über den aktuellen Stand (vornehmlich, aber nicht nur) der höchstrichterlichen Rechtsprechung und wissenschaftlichen Diskussion dazu, die hier erschöpfend ausgewertet wird. Das Werk ist das absolute Standardwerk zum StGB mit seinen derzeit 509 Rechtsnormen und wird von allen deutschen Gerichten verwendet und ist zur zweiten Staatsprüfung zugelassen. Die Rechtsprechung wird vollständig ausgewertet. Der Kommentar erscheint jährlich.

Die 67. Auflage 2020 hat den Gesetzesstand vom 1. Oktober 2019. Eingearbeitet sind vier seit der Vorauflage verabschiedeten Änderungsgesetze, durch die fünf Vorschriften geändert wurden und zwar § 11 Abs.1 Nr.1, 219 a Abs.4, 107 a Abs.1 S.2 und § 264 Abs. 4, V – IX, 335 a StGB betreffend die Umsetzung der Richtlinie (EU).  2017/1371 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichteten Betrug. Ein weiteres ÄnderungsG (»Cybergrooming«) mit geplantenh Änderungen der §§ 176, 176 a und 184 b StGB, das demnächst zu erwarten ist, wird unter Hinweis hierauf bereits erläutert. Noch laufende Gesetzgebungsverfahren betreffen unter anderem Entwürfe zu 126a (Handelsplattformen für illegale Waren) und § 201a (Schutz von Verstorbenen; Strafbarkeit von »Gaffern«). Erneut wurden mehr als 500 neue Entscheidungen vor allem des BGH in die Erläuterungen eingearbeitet, ohne dass eine Vollständigkeit der Nachweise angestrebt wird; dies ist nicht mehr zu leisten. Intensiv überarbeitet wurden überdies die Ausführungen zu den Änderungen § 177 StGB aufgrund der zwischenzeitlichen Erfahrungen mit diesen Änderungen.

Zu den Änderungen des § 176 StGB für den Bereich des „Cybergrooming“ findet der Verfasser bereits zu ersten Regelungsansatz klare Worte, da das täuschende Kontakte – Knüpfen von einem sozialadäquaten Verhalten im Versuchsstadium nur schwer abzugrenzen ist und nach seiner gut begründeten Auffassung das StGB erneut um eine Regelung mit eher symbolischer Funktion erweitert.

Der Verfasser hat wie schon  bei der Vorauflage diese Auflage zum Anlass genommen, die ohnehin vorzügliche Kommentierung noch weiter inhaltlich zu konsolidieren. Über die Änderungen des StGB informiert stets die der Kommentierung vorgeschaltete Tabelle über die Änderungen sowohl in zeitlicher Reihenfolge als auch nach Paragraphen geordnet. Die Gesetzesänderungen der Vorjahre bis zur Vorauflage waren so umfangreich, dass eine solche Konsolidierung ein Gewinn für alle Nutzer dieses Kommentars ist.

Wie aus der Tagespresse bekannt ist, hat der Verfasser sehr pointierte Auffassungen zu den Änderungen im Sexualstrafrecht, die etwa bei der Kommentierung des § 177 StGB nachzulesen sind.Die sehr interessanten Ausführungen zum problematischen Menschenbild der Neufassung – der Verfasser spricht von einer verzerrt moralisierenden Sichtweise mit der Gefahr einer Selbstviktimisierung – werden hier sehr klar herausgearbeitet und sind eine kritische Auseinandersetzung wert. Die Erläuterungen wurden vertieft und präzisiert und geht insbesondere auch auf die sich hier stellenden schwierigen Feststellungs- und Beweisfragen ein, die in teilweise problematische Fälle der Beweiswürdigung einmünden. Letztlich lassen sich hier nur immer wieder einzelne Aspekte herausgreifen, ohne dass dies dem herausragenden Kommentar gerecht werden könnte.

Demgegenüber ist die Reform der Tötungsdelikte – leider – erneut gescheitert. Auf weitere sich ankündigende Änderungen wird fortlaufend hingewiesen. Alle aktuellen Entwicklungen werden – unter Einbeziehung internationaler Entwicklungen – souverän kommentiert. Einige Kommentierungen – wie etwa zu § 253 StGB – hat der Verfasser erneut vertieft.

Sehr interessant sind etwa die Erläuterungen zu den Änderungen beim Subventionsbetrug nach § 264 StGB, der im Ergebnis ein verselbständigtes Versuchsdelikt im Vorfeld des Betrugs darstellt und einige Anwendungsschwierigkeiten bietet, die durch die Reform nicht leichter geworden sind, wie dies bei abstrakten Gefährdungsdelikten nicht selten der Fall ist, zumal der Begriffs des Subventionsverfahren strafrechtlich nicht legal definiert ist. Die Norm ist eng mit dem öffentlichen Recht der Subventionsvergabe und der Subventionsrückforderung verbunden und markiert insbesondere für die letzte Problematik die gestiegenen strafrechtlichen Risiken, da hier für europarechtliche Subventionen eine Strafbarkeitslücke geschlossen wurde, die hier pointiert erläutert wird.

Der Verfasser wird auch mit dieser Auflage die Entwicklung des deutschen Strafrechts weiter nachhaltig prägen.

Ein Kommentar lässt sich kaum besser schreiben, als dieser Kommentar geschrieben ist. Wer wissen will, was im Strafrecht aktuell zu wissen ist, wird diesen Kommentar immer wieder nutzen und zwar mit sehr großen Gewinn.

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