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Rezensionen juristischer Literatur

Mobbing im Arbeitsverhältnis

M. Wolmerath, Mobbing. Rechtshandbuch für die Praxis, 5. Aufl., 2019, NOMOS

Eine Rezension zu:

 Wolmerath | Mobbing | Cover

Martin Wolmerath

Mobbing

Rechtshandbuch für die Praxis

5. Auflage

Baden – Baden: NOMOS, 2019, 258 S., 44,00 Euro inkl. MWSt.

ISBN 978-3-8487-3480-1

www.nomos-shop.de

Mobbing ist ein vielschichtiges Phämomen und hat sich zu einer erheblichen Belastung der Arbeitswelt ausgeweitet, die rechtlich nach wie vor nur schwer in den Griff zu bekommen ist. Die Ursachen sind vielfältig und sozialwissenschaftlich kaum hinreichend erforscht. Der Begriff selbst ist erst seit ca. 25 Jahren etabliert. Mobbing selbst mit seinen verschiedenen Unterarten wie Bossing ist ein Massenphänomen. Empirische Untersuchungen gehen von einer Mobbing-Queote von mindestens 3,5 % aller Erwerbstätigen aus. Das etablierte Handbuch geht auch auf die Ursachen ein, die unter anderem auf Konkurrenzdruck in Unternehmen, gesteigerten Wertvorstellungen, inhumanem Führungsstil, diffusen Ängsten und Überforderung beruhen können, die bis hin zur Ausübung psychischer Gewalt reichen können. Die pyschischen Folgen sind vielfältig und reichen von Unwohlsein, gestörtem Lebensgefühl bis zu Depressionen und Suizid. Die juristische Aufarbeitung ergibt bislang ein ernüchterndes Bild. Entschädigungen werden aufgrund der Darlegungs- und Beweislast und oft bestehenden Beweisschwierigkeiten seltener zugesprochen. Viele Fälle werden außergerichtlich gelöst oder bei den Arbeitsgerichten verglichen. Möglicherweise ergeben sich im Zusammenhang mit dem Whistleblower-Schutz neue Möglichkeiten.

Das Praxishandbuch stellt umfassend alle juristischen Aspekte der in vielen Unternehmen gegenwärtigen Problematik dar. Die 5. Auflage geht dabei sehr aktuellen Entwicklungen nach, die auch mit der Veränderung der Arbeitswelt und ihrer “Digitalisierung” zusammenhängen. So wird intensiv auf neue Phänomene wie Cyber-Mobbing, Social-Media-Mobbing, Bashing und Mobbing-Missbrauch eingegangen. Stets werden dabei auch Lösungsperspektiven aufgezeigt, da es letztlich nicht darum geht, die Probleme durch Prozesse zu “regeln”, sondern um Handlungsoptionen für die betrieblichen Akteure und die Mobbingopfer.

Aus dem Inhalt:

 

  • Grundlegende Aspekte
  • Strafrechtliche Aspekte
  • Schadensersatzrechtliche Aspekte
  • Arbeitsrechtliche Aspekte
  • Sozialrechtliche Aspekte
  • Dienstrechtliche Aspekte
  • Handlungsmöglichkeiten des Betriebs- bzw. Personalrats
  • Handlungsmöglichkeiten des Mobbingbetroffenen

 

Im 1. Kapitel legt der Verfasser die sozialen Grundlagen und die Gefahren des Mobbings dar, wobei die sozialwissenschaftlichen Ergebnisse bisheriger Forschungen zusammenfassend dargestellt werden. Er macht dabei deutlich, dass es derzeit kaum eine abschließende Definition gibt, die alle Aspekte des Mobbings als eines überaus komplexen Geschehensprozess erfasst. Ungeachtet dessen lassen sich die Kernbereiche inzwischen recht klar erfassen, wie der Verfasser unter Hinweis auf zahlreiche einschlägige Studien auch deutlich macht, an denen er teilweise selbst maßgeblich mitgewirkt hat. Besonders verdienstvoll ist die Herausarbeitung einer Mobbingtypologie, die Mobbing erkennbar macht. Angesichts zahlreicher Ansätze, die sich kaum verabsolutieren lassen, werden die maßgeblichen Forschungsansätze hier für die Praxis operationalisierbar gemacht, ohne Unterschiede zu verschweigen.

Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Darstellungen dieser Problematiken geht der Verfasser in § 2 des Handbuches sehr intensiv auf die strafrechtlichen Aspekte des Mobbings ein. Dies ist um so richtiger, als angesichts einer zweifelhaften Beweissituation im Zivilrecht sich möglicherweise über strafrechtliche Ermittlungsverfahren Beweisaspekte ermitteln lassen, die sich in anderen Verfahren verwerten lassen, mag dies auch noch sehr in den Anfängen stecken und auf wenig Gegenliebe bei den Ermittlungsbehörden stoßen. Hier stechen materiellrechtlich insbesondere die Ausführungen zur (sexuellen) Nötigung und zu den Äußerungsdelikten hervor. Letztere werden oft in das Privatklageverfahren “abgedrängt”, weshalb der Verfasser auch sehr eingehend auf dieses Verfahren (nach regelmäßig gescheitertem obligatorischen Sühneversuch) eingeht, unter Einbeziehung des Verhaltens Dritter.

Kapitel 3 bringt eine sehr plastische Darstellung der schadensersatzrechtlichen Aspekte des Mobbingschutzes, die neben den zivilrechtliche Perspektiven auch arbeitsrechtliche Bereiche einbezieht. Die praxisrelevanten Anspruchsgrundlagen des Rechtsschutzes gegen Mobber werden der Darstellung vorangestellt. Die Darstellung geht zwar von der Pflichtverletzung des § 280 I BGB aus, zeigt aber sehr deutlich, dass Vertragspflichten zwischen Mobber und Gemobbten im Regelfall nicht bestehen. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt den auch folgerichtig bei der deliktsrechtlichen Verletzung der Persönlichkeitsrechte, deren Einsatz in Form von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen gegen Mobber für den Gemobbten während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht ohne persönliches Risiko ist, weil die Kommunikationsverhältnisse sich dadurch noch weiter verschlechtern können. Geeignete Maßnahmen müssen in Mobbingfällen genau gegen mögliche Nachteile abgewogen werden. Im Rahmen der Ausführungen zu den verfahrensrechtlichen Aspekten geht der Verfasser auch auf die schwierigen Beweislastfragen ein und auf die Möglichkeit diese unter Umständen durch Parteianhörung zum kompensieren. Zu denken ist aber unter Umständen auch an eine Haftung des Arbeitgebers (auch bei Bossing), die ebenfalls eine eingehende Darstellung findet. Da hier schwerpunktmäßig Unterlassungen wegen der Verletzung von Arbeitgeberpflichten im Vordergrund stehen, ist diese Haftung nicht leicht zu realisieren, gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Organhaftung. Der Verfasser geht überdies auch der äußerst umstrittenen Frage nach, ob eine vertragsähnliche Haftung von Mitgliedern des Betriebsrates in Betracht kommt, gegen die sich der Verfasser pointiert wendet, wobei insbesondere die fehlende ausdrückliche Anspruchsgrundlage gegen eine solche Haftung spricht. Ebenso gering sind die Aussichten Kollegen und andere Dritte haftbar zu machen.

Das Kapitel 4 behandelt die arbeitsrechtlichen Aspekte des Mobbings, ausgehend von denkbaren Sanktionen gegen Mobber, die von der Ermahnung, über die Abmahnung, eine Versetzung bis hin zur mobbingbedingten (verhaltensbedingten oder außerordentlichen) Kündigung reichen kann. Der Verfasser untersucht in diesem Rahmen auch genau die Beteiligungsmöglichkeiten des Betriebsrates und gibt diesen interessante Hinweise. Nachgegangen wird ebenso eindringlich den Möglichkeiten des Vorgehens des Gemobbten gegen den Arbeitgeber, die von der Beschwerde, über die Forderung des Eingreifens in den Geschehensprozess, über das Zurückhalten der Arbeitsleistung, die Aufhebung des Arbeitsverhältnis in beiderseitigem Interesse sowie die Eigenkündigung reichen können, deren sozialversicherungsrechtliche Folgen überdies unter dem Aspekt der Sperrfristverhängung näher dargestellt werden.

Die sozialrechtlichen Aspekte werden in Kapitel 5 vertieft, insbesondere unter dem Aspekt des Rückgriffs des Sozialversicherungsträgers gegenüber dem Mobbenden oder dessen Arbeitgeber. Kapitel 6 geht auf die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes und insbesondere auf die beamtenrechtlichen Aspekte näher ein, während Kap.7 die Handlungsmöglichkeiten der Arbeitgeber im Zusammenhang darstellt, etwa in Form einer “Mobbing – Compliance”, wenn sich solche Fälle häufen sollten. Die beiden letzten Kapitel beschäftigen sich mit den Handlungsmöglichkeiten des Betriebs- oder Personalrats sowie der Betroffenen, wobei Betroffene eindringlich vor “schwarzen Schafen” gewarnt, die aus der Mobbingsituation Gewinn schlagen wollen.

Das Handbuch ist der ideale Ratgeber für Rechtsanwälte, Arbeitsrichter, Gewerkschaften, Antidiskriminierungsverbände, Betriebs- und Personalräte.

Die Darstellung ist ungemein praxisnah und leicht verständlich geschrieben. Sie bietet eine Vielzahl an Informationen für alle, die mit diesem Thema in Berührung kommen, auch und gerade für Betroffene und deren Berater.

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