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Rezensionen juristischer Literatur

NomosKommentar zur Musterfeststellungsklage

Röthemeyer, Musterfeststellungsklage, Spezialkommentar zum 6. Buch ZPO, Erstauflage, 2018, Nomos

Eine Rezension zu:

 Röthemeyer | Musterfeststellungsklage | Cover

 Peter Röthemeyer

Musterfeststellungsklage

Spezialkommentar zum 6. Buch ZPO

Von Ltd. MinR Peter Röthemeyer

Erstauflage

Baden-Baden: Nomos, 2019, 206 S., Broschiert, 48,00 € (* inkl. MwSt. versandkostenfrei )

ISBN 978-3-8487-5256-0

  www.nomos-shop.de

Die neue Musterfeststellungklage ist nicht zuletzt eine Reaktion des Gesetzgebers auf die “Diesel-Skandale” bestimmter Unternehmen der Automobilindustrie. Die hierzu ergangene Rechtsprechung war teilweise wenig einheitlich und hat unter anderem auch die Rechtsschutzversicherungen erheblich belastet. Die Musterfesstellungsklage ist zwar keine “kupierte Class – Action”, aber es musste ein Instrument geschaffen werden, diesen Bereich der Massenklagen zu vereinfachen, falls dies mit diesem Gesetz gelungen sein sollte.

Wie dem auch sei, gibt es seit dem 1.11.2018 ein neues Instrument der Anspruchsdurchsetzung in Form einer neuen Verbandsklage, der sich betroffene Verbraucher anschlißen können, aber selbstredend nicht müssen. Die Vorschriften finden sich im sechsten Buch der ZPO, in dem sich früher das famlienrechtliche ZPO-Verfahren befunden hat. Ziel dieses in ziemlicher Eile konzipierten Gesetzes ist es, effektive und ressourcenschonende Rechtsklärungen durch aktivlegitimierte Verbände gegen betroffene Unternehmen als Beklagte zu schaffen, denen sich Verbraucher kostenfrei anschließen können, aber dann auch den Ausgang des Verfahrens inklusive eines etwaigen Vergleiches akzeptieren müssen, soweit die Regelung durch Vergleich oder Urteil reicht.

Es kann sich dabei um einen paradigmatischen Meilenstein handeln und es kann (erstmal) auch ein “Flop” werden, der der Nachbesserung bedarf. Es gibt hier keinen Instanzenzug, sondern Spezialsenate bei den Oberlandesgerichten sind in einem Rechtszug zuständig in erster Instanz zuständig, wobei eine Revision zum BGH stattfinden kann, § 614 ZPO.

Die Eile unter dem Druck von “Dieselgate” hat einige Auslegungsprobleme hinterlassen, denen sich dieser gut geschriebene, sehr problemorientierte Spezialkommentar eingehend widmet, der die richtigen Schwerpunkte setzt.  Mit diesem Gesetz erhalten Verbraucherschutzverbände erstmals im Bereich des Zivilprozesses eine – nicht völlig unproblematische – Klagebefugnis, zugunsten betroffener Verbraucher grundsätzliche Klärungen von Rechts- und Tatsachenfragen herbeizuführen.

Wie der Verfasser im Vorwort treffend ausführt steht dieses Gesetz im Spannungsfeld zwischen einer prozessualen Passivität der Verbraucher und seiner Bindung. Auch die anwaltliche Beratung betritt in diesem Bereich Neuland und muss den Nutzen kostenloser Kollektivklärung gegen Risiken und Nachteile individueller Rechtsverfolgung abwägen.

Die Justiz wird sich insbesondere mit der Bindungswirkung der Urteile befassen müssen, weil der jeweilige Schadensersatz erst nach der Feststellung individuell in einem weiteren Verfahren – oder einer aussergerichtlichen Einigung – bemessen werden kann, was Kooperationen der Verbände mit Anwälten, Rechtsschutzversicherungen und Prozessfinanzieren nahelegt.

Der neue, sehr interessante  Handkommentar gibt zum frühestmöglichen Zeitpunkt Antworten auf die zahlreichen Auslegungsfragen, zu denen etwa die Frage der Klagebefugnis und ihrer Reichweite, die Wirkung der Verjährungshemmung, der Schutz vor Verfahrensmissbrauch, die Reichweite des Feststellungsausspruches und die Reichweite eines Vergleiches zählen. Der angeschlossene Verbraucher ist nur etwaiger Nutznießer dieses Verfahrens, ohne selbst Partei zu werden (es handelt sich nicht um einen Fall der Streitgenossenschaft), so dass die neue Rechtsfigur der rechtlich gebundenen Nichtpartei Fragen hinsichtlich des rechtlichen Gehörs nebst etwaiger Gehörsbeschwerde sowie etliche Haftungsfragen aufwirft. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass am Ende der ersten Verfahren eine Urteilsverfassungsbeschwerde eines Verbrauchers steht.

Schwerpunkte des Kommentars in Stichpunkten:

  • Umfassende Einführung in die Problematik und das Gesetzgebungsverfahren
  • Einzelkommentierungen der §§ 606-614 ZPO
  • Einzelkommentierungen insbesondere zu Änderungen der §§ 29c, 32c, 148 ZPO und § 204 BGB
  • Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils
  • Detailfragen der Verjährungshemmung
  • Haftung der klagenden Verbände und der Anwälte.

Der Kommentar ist auf die Bedürfnisse der Praxis ausgerichtet und bietet insoweit zahlreiche Hilfestellungen, etwa bei der Anmeldung zum Klageregister (die in das anwaltliche Beratungsportfolio aufzunehmen ist), bei zahlreichen Verjährungs- und Haftungsfragen oder etwa bei Kooperationen von Verbänden, Prozessfinanzierern und Anwälten. Der Kommentar geht selbstredend auch eingehend auf die Leistungsphase nach dem Musterfeststellungsurteil intensiv ein.

Der Autor Peter Röthemeyer ist Referatsleiter im Niedersächsischen Justizministerium und hat die Entstehung des Gesetzes eng begleitet, so dass es sich um eine Kommentierung aus erster Hand handelt.

Wer mit der Musterfeststellungsklage – in welcher Form auch immer – zu tun bekommt, wird diesen ausgezeichneten und sehr verständlichen Kommentar gewinnbringend nutzen können.

Siehe auch ergänzend den Praxisleitfaden von: Nordholtz | Mekat, Musterfeststellungsklage, Einführung | Beratung | Gestaltung, Nomos, 2019, 313 S., Gebunden,ISBN 978-3-8487-5255-3

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