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Rezensionen juristischer Literatur

Rechtsextremismus und Meinungsfreiheit

V. Klausmann (Hrsg.), Meinungsfreiheit und Rechtsextremismus, Erstauflage, Nomos, 2019

Eine Rezension zu:

 Klausmann | Meinungsfreiheit und Rechtsextremismus | Cover

Vincent Klausmann

Meinungsfreiheit und Rechtsextremismus

Das antinationalsozialistische Grundprinzip des Grundgesetzes

 Erstauflage

Baden-Baden: Nomos, 2019, 292 S., 74,00 Euro inkl. MwSt.

ISBN 978-3-8487-5284-3

www.nomos-shop.de

Die Marburger Dissertation untersucht das Spannungsverhältnis zwischen der Gewährleistung der Grundrechte auf Meinungsäußerungsfreiheit und Medienfreiheit und der Notwendigkeit staatlicher Repression gegen Rechtsextremismus, insbesondere anhand einer präzisen Erörterung des § 130 Abs.4 StGB. Die kontroverse Debatte im Gesetzgebungsprozess um § 130 IV StGB ist nur vor dem Hintergrund des deutlich erwachten neonanzistischen Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland verständlich, die hier detailliert rekonstruiert wird. Im Kern geht bei dieser Norm um die Pönalisierung der Verherrlichung neonazistischen Gedankenguts in einer Versammlung, die die Würde der Opfer verletzt. Es liegt auf der Hand, dass diese Norm nicht leicht zu handhaben ist, auch wenn das BVerfG mit Bedenken die Verfassungsgemäßheit festgestellt hat. Die Dissertation setzt damit, wie rechtliche Reaktionen auf Neonazismus ausgestaltet werden können und rekonstruiert die gesamte rechtspolitische Situation mit einer Bestandsaufnahme der Möglichkeiten und Grenzen einer staatlichen Reaktion.

Das Grundgesetz ist von seiner Gesetzgebungsgeschichte her antinationalsozialistisch. Vor diesem Hintergrund ist auch das jahrzentelang unangestastete Verbot der Beteiligung an Angriffskriegen zu sehen. Die Verfasser des Grundgesetzes waren sich darüber einig, dass derartiges nie wieder geschehen darf. Ob dieses Prinzip aber als justiziables Konzept im Grundgesetz enthalten ist, wird überwiegend abgelehnt.  Der interessante Band arbeitet heraus, inwiefern Grundrechteingriffe durch den Gesetzgeber mittels eines antinationalsozialistischen Grundprinzips des Grundgesetzes gerechtfertigt werden können und rekonstruiert dieses Grundprinzip, das erst aus einer Zusammenschau von Normen im historischen Kontext verständlich wird. Das BVerfG hatte im “Wunsiedel-Beschluss” ein solches Prinzip abgelehnt, so dass die Ausführungen in Kapitel 5 sich eingehend mit dieser Entscheidung beschäftigen. Da die Wortlautauslegung die Annahme eines solches Konzeptes nicht stützt, kommt hier insbesondere Art. 139 GG ins Spiel, aus dem die Ablehnung des Nationalsozialimus hervorgeht und untersucht die antinationalsozialistische Stoßrichtung diverser Normen des Grundgesetzes.

Dieses Grundprinzip wird aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes und den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung hergeleitet. Kapitel 6 stellt die Schwierigkeiten der Operationalisierung eines solchen Konzeptes dar, etwa anhand der Kontroverse zwischen dem BVerFG und dem OVG NRW, das ein solches Konzept in NJW 2001, 2113, zugrunde gelegt hatte. Jenseits des Wunsiedel – Beschlusses hatte das BVerfG erneut Gelegenheit zu solchen Fragen im NPD-Verbotsbeschluss Stellung zu nehmen, sah aber keinen Anschluss zu Korrekturen, weil die verfassungsrechtlichen Ergebnisse sich auch ohne Rückgriff auf dieses Konzept begründen ließen. Es stellt sich daher die Frage, wozu dieses Konzept in seinen rechtlichen Wirkungen benötigt wird, das letztlich auch vom BeverfG implizit zugrunde gelegt wird.

Die Anwendung dieses Konzept stellt sich rechtspolitisch als Plädoyer für weitreichende legislative Kompetenzen bei der Einschränkung pronationalsozialistischer Meinungsäußerungen dar. Damit muss aber klar umrissen werden können, was im jeweiligen Kontext “rechts” im Sinne von neonationalsozialistisch und “extrem” ist, was oftmals erst aus den jeweiligen Kontexten gefolgert werden kann. Rechtsextreme politische Auffassungen können als Gefährdung vom Demokratie und Rechtsstaat im Rahmen des Konzeptes einer wehrhaften Demokratie nicht toleriert werden, so dass sich Frage nach verfassungsimmanenten Schranken stellt. Hierzu werden auch Kontrollüberlegungen angestellt und alternative Rechtfertigungsgründe untersucht.

Der interessante Band stellt den Umfang der Schutzbereichsgewährleistung der Meinungsfreiheit bei politischen Äußerungen und den aktuellen Stand der Begriffsdiskussion um die allgemeinen Gesetze aus Art. 5 II GG sowie eine auch politikwissenschaftlich geprägte Annäherung an Möglichkeiten eines reperssiven Umgangs mit Rechtsextremismus als einer Gefährdungssituation für den Staat des Grundgesetzes dar.

abstract:

The charged relationship between the need for state repression against right-wing extremism and the guarantee of fundamental rights, especially freedom of speech, coined the controversial debate about § 130 IV StGB [German Criminal Code]. The volume works out how legislative encroachments on fundamental rights can be justified with the anti-Nazi basic principle of the German Basic Law. This basic principle is derived from the genesis of the Basic Law and the principles of the liberal democratic basic order. From the point of view of legal policy, this is an advocacy of far-reaching legislative powers with respect to the repression of National Socialist expressions of opinion. The volume outlines the scope of protection of freedom of speech in political statements, the current state of the discussion on the term of general law in article 5 II GG [Basic Law] and a political-scientific approach to the possibilities of dealing with right-wing extremism.

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