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Rezensionen juristischer Literatur

Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland

Uwe Wesel, Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2019, C.H.Beck

Eine Rezension zu:

  Abbildung von Wesel | Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland | 2019 | Von der Besatzungszeit bis zur...

Uwe Wesel

Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland

Von der Besatzungszeit bis zur Gegenwart

Erstauflage

München: C.H.Beck, 2019, 276 S., 29,80 Euro inkl. MwSt.

ISBN 989-3-406-73439-7

www.beck-shop.de

Die Bundesrepublik Deutschland besteht mit Höhen und Tiefen seit über 70 Jahren. Ihre Rechtsgeschichte ist als Zeitgeschichte bislang in einem Band noch nie aufgearbeitet worden.

Die Bundesrepublik Deutschland wurde errichtet wurde auf den Trümmern eines kriegsverwüsteten Deutschland, nach einem Weltkrieg den Deutschland maßgeblich selbst ausgelöst hatte. Der Anfang war schwierig, gelang aber nicht zuletzt mit einem Grundgesetz das die verschiedenen Teilsysteme maßgeblich zu integrieren half. Die Bundesrepublik Deutschland war zwar nur noch ein Torso der drei Deutschen Reiche davor, deren drittes zu einem Desaster fürchtenlichen Ausmaßes wurde und zum Entschluss er Bundesrepublik Deutschland, derartiges nie wieder zuzulassen. Diese Republik – erst die “Bonner” – dann die “Berliner Republik” – entwickelte sich schon vor dem Anschluss der Deutschen Demokratischen Republik 1990/91 zu einem der stabilsten und erfolgreichsten deutschen Staaten. Das Bekenntnis zu einem freiheitlich demokratischem Rechtsstaat aber dafür eine entscheidende Basis.

Der bekannte Berliner Rechtshistoriker Uwe Wesel schildert in diesem lesenswerten Basnd die wichtigsten Stationen dieser Erfolgsgeschichte auf die ihm eigene, faszinierende Art, in dem ihm eigenen, schönen Stil, der seine Bücher so besonders macht. Das Buch besteht aus vier Teilen, die bestimmte Abschnitte dieser Geschichte kennzeichnen und zwar die Besatzungszeit 1945 – 1949, die “Zeit von Adenauer und Erhard 1949 – 1966, von der “ersten Großen Koalition bis zur Wiedervereinigung 1966 – 199 und sodann von der Wiedervereinigung 1990 bis heute.

In diesen Kapitel werden signifikante Strukturen, Entwicklungen und Ereignisse dieser Zeitabschnitte (man könnte auch von Epochen sprechen) herausgestellt, die zumindest teilweise bis heute prägend wirken. Der erste Teil ist relativ knapp gefasst, geht aber auf die signifikanten Entwicklungen sämtlich ein, so etwa auf den völkerrechtlichen Status des Dritten Reichs in Abwicklung, die nicht sehr straff durchgeführte Entnazifizierung und natürlich die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Der Text ist durchgehend gehalten, lediglich am Rand finden sich Unterteilungen. Beschönigt wird nichts, keine Spur von Verklärung. Auf S. 30 beginnt ein unbedingt lesenswerter Bericht über das letzte deutsche Standsgerichtsurteil, ein ad-hoc-Todesurteil, dessen Aufarbeitung durch die deutsche Justiz mit der Erfindung des Richterprivilegs ein Trauerspiel war, für das sich der BGH im Jahrt 1995 entschuldigt hat.

Ähnlich kompakt wird die Zeit nach 1949 – 1966 dargestellt, wobei der Aufbau der Justiz eine wesentliche Komponente der Darstellung ist, die alle Rechtsbereiche verklammert und insbesondere auch auf nicht nur historisch bahnbrechende Urteile aus dieser Zeit eingeht, wie etwa das presserechtliche Urteil zum Bankhaus Schacht und der “Leserbriefaffäre”. Etwa am Beispiel der berühmten BGH – Entscheidung “Elektroherde” wird die Eingriffskondiktion erläutert. Souverän eingegangen wird auch Entwicklungen im Arbeits – und Wirtschaftsrecht und zur beginnenden Einigung Europas.

Im dritten Teil ist die Vorgehensweise ähnlich. Auch hier werden in die “langen Wellen” jene Diskurse integriert, die die Rechtsentwicklung maßgeblich geprägt haben, wiederum am Beispiel bahnbrechender Gerichtsentscheidungen wie etwa des BVerfG zum Grundlagenvertrag, zur Mitbestimmung, zum Geliebtentestment und einiges mehr. Die Auswahl ist interessant. Am Ende des Kapitels wird das heute noch aktuelle Thema der Verfolgung von NS-Verbrechen und der “ungesühnten Nazijustiz” wieder aufgegriffen, um auch auf die Situation in der “Lehre” an den Universitäten einzugehen. Die letzten Seiten des 3. Teils widmen sich der Entwicklung des Europarechts und der immer wichtiger werdenden Rolle des EuGH am Beispiel der “Butterfahrten-Entscheidungen”, diese Verkaufspraxis 1999 auf der Nordsee zu einem Ende führte.

Der Teil 4. führt den Leser in die Gegenwart, anknüpfend an der Wiedervereinigung, die noch heute Nachwirkungen hat. Es wird auf die Entwicklungen in verschiedenen Rechtsbereichen eingegangen, wie dem Sozialrecht und dem Steuerrecht, wiederum mit Beispielen aus der Rechtsprechung. Selbstredend wird auch das Thema der Verfolgung von DDR – Unrecht behandelt, die nach etwa zehn Jahren beendet war und zu ca. 650 Veurteilungen führte. Interessant und zutreffend sind die Argumente des Verfassers gegen die oftmals und erst kürzlich wieder in Brüssel aufzufindende Gleichsetzung von NS-Verbrechen und DDR – Unrecht, denen der Verfasser anhand der wesentlichen Unterschiede pointiert entgegentritt. Der 4. Teil geht intensiv auf die europarechtliche Entwicklung von “Maastricht” zu “Lissabon” ein und endet mit einer Betrachtung der juristischen Fundamente der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu “Weimar” und dem “Deutschen Reich”, die einer Beschwörung des Optimismus endet. Am Ende eines jeden Teils finden sich interessante Literaturhinweise.

Das Buch behandelt dieses Thema erstmals umfassend in einer Einzeldarstellung in einer hoch anschaulichen, durch viele Fallbeispiele höchstrichterlicher Entscheidungen, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, gekennzeichneten Darstellung, die eine wirklich spannende Lektüre bietet, für die der Autor wie kein anderer steht. Der Band richtet sich an politisch, historisch und rechtshistorisch interessierte Leser.

Die neue Darstellung stellt eine Bereicherung der rechtsgeschichtlichen und zeitgeschichtlichen Literatur dar und enthält eine wirklich spannende Darstellung.

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