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Rezensionen juristischer Literatur

Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning

Kaulartz/Braegelmann (Hrsg.), Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning, Erstauflage, 2020, C.HJ.Beck

Eine Rezension zu:

Abbildung von Kaulartz / Braegelmann | Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning | 2020

Markus Kaulartz / Tom Braegelmann (Hrsg.)

Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning

Handbuch

Buch. Softcover

2020

XXXVII, 699 S

ISBN 978-3-406-74658-1

– In Gemeinschaft mit Vahlen/München –

Künstliche Intelligenz und Maschinen, die lernfähig sind, prägen nicht erst seit gestern einen erheblichen Teil der wirtschaftlichen Entwicklung auf der Basis der Entwicklung von Wissenschaft und Technik als erster Produktivkraft. Die einen nehmen diese Entwicklungen als Bedrohung wahr, weil sie die Zusammenhänge nicht verstehen, die anderen sehen die Chancen und mit Chancen sind immer auch Risiken verbunden, deren Beherrschbarkeit das entscheidende Kriterium ist. Bereits die Einführung des Autopiloten beruhte auf der Nutzung von KI. Ohne KI wäre eine Mondlandung nie erfolgt. Jede Nutzung von KI beruht auf der Nutzung von Software und erfordert daher entsprechende Programmierungen angereichert mit Elementen von BIG-Data und anderen technischen Entwicklungen.
Den Autoren und Herausgebern des interessanten Handbuchs zum Thema „Smart Contracts“ ist es gelungen, mit diesem neuen Handbuch erneut Neuland zu betreten. Das Handbuch versucht unter anderem auch Rationalität in eine derzeit sehr emotional und in der Breite ohne vertiefte Informationen geführte Debatte zu bringen. Ähnlich wie das andere Handbuch ist der Ansatz mit guten Gründen interdisziplinär. KI beruht auf der Automatisierung intelligenten Verhaltens und dem maschinellen Lernen und kann nicht abschließend definiert werden, weil Intelligenz sehr verschiedene Phänomene beschreibt. Die hier zum Einsatz kommenden Technologien lassen sich aber beschreiben und in der Einleitung des Handbuchs werden die derzeitigen Beschreibungen von starker und schwacher KI zitiert, deren Unterschied darauf beruht, dass eine starke KI an die Stelle des Menschen treten könnte, während die schwache auf Systemunterstützungsprozesse zielt. Die technischen Grundlagen werden in diesem Handbuch eingehend erörtert. Das Handbuch trennt auch überzeugend zwischen den Rechtsproblemen, den der Einsatz von KI auslöst und den Möglichkeiten des Einsatzes von KI im Bereich von Justiz und Rechtsberatung. Der letztere Bereich wird in diesem Handbuch nur gestreift, aber in den letzten vier Kapiteln aufgegriffen. Jede Rechtsanwendung findet aber heute praktisch in einer digitalen Umgebung statt, so dass es sicher KI in Rechtsanwendungen geben wird, etwa im Bereich einer softwaregesteuerten Sachverhaltsanalyse, die auch in der Lage sein wird, Lösungsvorschläge zu entwickeln. Souverän im Bereich KI ist allerdings, wer in der Lage ist, die Nutzung ganz oder zeitweise abzuschalten.
Kapitel 2 dieses sehr interessanten Handbuches geht differenziert auf die technischen Grundlagen ein. Hier geht es um Mustererkennung, maschinelles Lernen, die automatische Generierung von Kategorisierungen, die softwaregesteuerte Ermittlung und ggf. Bewertung von Zusammenhängen, Expertensysteme und kritische Eigenschaften von Systemen künstlicher Intelligenz. Dabei wird völlig klar, dass ohne eine detaillierte Beschreibung der technischen Funktionsweisen eine rechtliche Bewertung nicht möglich ist. Die hier vorhandenen Fehlerquellen werden sehr plastisch am Beispiel des „autonomen Fahrens“ verdeutlicht. Des Weiteren geht es eingehend um Maschinenintelligenz und Lernprozesse für Maschinen, die auch den Bereich des Roboting betreffen können. Die Prozesse müssen erklärbar sein, was in eine Analyse der aktuellen Prozesspraxis einmündet. Die Erfordernisse einer Dokumentation werden fortlaufend angesprochen.
Kapitel 3 beschäftigt sich mit der europäischen Perspektive und insoweit auch mit den Plänen der Europäischen Union in diesem Bereich, die etwa zum einem Weißbuch der Kommission zur künstlichen Intelligenz und Ethikvorschlägen geführt haben, die alle noch recht vage sind. Mit dem vierten Kapitel widmet sich das Handbuch einem völlig zentralen Aspekt zu und beschäftigt sich mit dem Thema Haftung. In diesem Bereich geht es zentral um die Haftung für Algorithmen unter anderem in Anwendung der Kriterien des Airbag-Urteils des BGH. Die Haftungsszenarien die sich hier abzeichnen deuten mehr auf eine deliktische Haftung als auch eine Vertragshaftung. Fehlerhafte Konstruktion und fehlerhafter Gebrauch bezeichnen jenes Terrain auf die IT-Sachverständigen der Zukunft vertieft tätig sein werden. Dabei geht es intensiv um den Stand von Wissenschaft und Technik und die hier vorhandenen Ansätze in der Rechtsprechung werden intensiv erörtert, um sodann zum Thema Produkthaftung vorzudringen. Die Lösungsmodelle für diesen sind unsicher, weshalb Kapitel 4 die Szenarien einer deliktischen Haftung de lege ferenda beschreibt und Vorschläge hierzu unterbreitet, etwa im Bereich der Einführung einer umfassenden Gefährdungshaftung angesichts der kaum beherrschbaren multikausalen Ursachen bei Fehlerhaftigkeit von Prozessen.
Erhebliche Teile des Handbuches beschäftigen sich mit Fragen der Vertragsgestaltung, so in Kapitel 5, dass zentral auf den Einsatz von AGB in diesem Bereich eingeht und Lücken offen legt, so etwa im Bereich des Stellens von AGB bei autonom geschlossenen Verträgen. Die sich hier stellenden Fragen überschneiden sich mit dem Bereich der Smart Contracts.
Kapitel 5.3 geht auf die Probleme des Outsourcing ein, während Kapitel 6.1. sich mit der Frage beschäftigt, ob KI – Systeme rechtsfähig sein können, was derzeit abgelehnt wird, aber nicht für alle Zukunft ausgeschlossen werden kann, so dass die Frage nach einer Teilrechtsfähigkeit ebenso aufgeworfen wird die Frage nach Alternative, um eine Verantwortungslücke zu schließen. Im weiteren Fortgang der Erörterungen gehen die Autoren auf die sich abzeichnenden Probleme in der Vertragsgestaltung ein, vom Vertragsschluss bis zur vertraglichen Haftung und schlagen auch Musterklauseln vor, die sehr interessant sind.
Kapitel 7 befasst sich mit immaterialgüterrechtlichen Fragestellungen, besonders aus urheberrechtlicher Sicht, entwirft die derzeitige Situation beim Abschluss von Lizenzverträgen, legt Lücken offen und macht Vorschläge für einen Schutz de lege ferenda. Das Kapitel 8 beschäftigt sich intensiv mit datenschutzrechtlichen Aspekten und hier insbesondere mit den Anforderungen des Art. 22 DSGVO zu automatisierten Entscheidungsfindungen, dem Einsatz von Auftragsdatenverarbeitern, technischen und organisatorischen Maßnahmen sowie dem bestehenden Spannungsverhältnis von KI und Datenschutzrecht mit dem Zielkonflikt zwischen Datenschutz und Datennutzung, die fundamental neue Fragen aufwerfen, die noch zu lösen wären. Datenschutz ist aber auch durch KI möglich, wie klar gezeigt wird.
Kapitel 9 geht auf die aktienrechtliche Leistungsverantwortung beim Einsatz von KI ein, während Kapitel 10 sich kurz dem Thema Verbraucherschutz widmet und Kapitel 11 arbeitsrechtliche Probleme aufwirft, etwa bei einer KI-gestützten Bewerberauswertung und deren Grenzen vor dem Hintergrund des Schutztes der Persönlichkeitsrechte. Kapitel 12 geht auf strafrechtliche Aspekte ein, etwa auf den Einsatz von KI als Tatmittel, während Kapitel 13 auf den Einsatz von KI im Finanzaufsichtsrecht eingeht, etwa bei der Aufsicht über elektronische Handelsplätze. Die letzten Kapitel gehen dann doch auf die Möglichkeiten des Einsatzes von KI bei der Streitbeilegung, in der Rechtsberatung und bei der vertraglichen Ausgestaltung von Legal – Tech – Verträgen ein. Ein letztes Kapitel beschäftigt sich mit dem Einsatz von KI in der Insolvenz – und Restrukturierungspraxis.
Die immer weiter fortschreitende Technologie fördert neue und bisher ungekannte Rechtsfragen zutage, auf die es noch keine allgemeingültigen Antworten oder gar Rechtsprechung gibt. Es wäre auch völlig verfehlt abschließende Lösungen von diesem Handbuch zu erwarten, dass Pioniorarbeit leistet und die richtigen Problembeschreibungen nebst möglichen Lösungsansätzen enthält. Die Neuerscheinung widmet sich dem weitgehend Unbekannten und vermittelt praktische Lösungsvorschläge für alle, die im Rahmen der Erstellung und beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz beraten.

Das Handbuch richtet sich an Anwälte, Unternehmensjuristen, Richter, Referenten/Sachbearbeiter in Behörden sowie Rechtspolitiker, aber auch an IT-Unternehmen und IT-Techniker, die in diesem Bereich tätig sind. In diesem Bereich findet ein ständiger Dialog zwischen Technik und Rechtsanwendung statt.
Das neue Handbuch ist eine der interessantesten Neuerscheinungen des Jahres 2020 und bündelt Informationen zum Bereich Recht und KI, die in dieser Form sonst nicht zu finden sind.

 

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