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Rezensionen juristischer Literatur

Tatsachenfeststellung vor Gericht

Bender/Häcker/Schwarz, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 5. Aufl., 2021, C.H.Beck

Eine Rezension zu:

Abbildung von Bender / Häcker | Tatsachenfeststellung vor Gericht | 5. Auflage | 2021 | beck-shop.de

Rolf Bender/Robert Häcker/Volker Schwarz

bearbeitet von:

Robert Häcker und Volker Schwarz

Tatsachenfeststellung vor Gericht

Glaubwürdigkeits- und Beweislehre

Vernehmungslehre

5. Auflage

München: C.H.Beck, 2021, 402 S., 59,00 Euro inkl  MwSt.

ISBN 978-3-406-75425-8

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In der Gerichtspraxis geht es oftmals weniger um Rechtsfragen als um die Tatsachenfeststellung, besonders in Beweisaufnahmen. So viele Handbücher es zu allen möglichen Rechtsfragen des materiellen Rechts als auch des Prozessrechts auch immer gibt, so wenige Darstellungen gibt es zur Tatsachenfeststellung in gerichtlichen Verfahren, die teilweise auch in Schiedsverfahren Anwendung finden können. Das Thema betrifft durchaus nicht nur Strafverfahren, wenn auch diese besonders intensiv. Viele Darlegungen in diesem Band lassen sich überdies auch außerhalb von Gerichtsverfahren verwenden. Der jetzt erstmals seit dem Jahr 2014 wieder erschienene Band, schärft die Sinne für die Tatsachenfeststellung.

In diesem absoluten Standardwerk geht es zentral um die Beurteilung des Wahrheitsgehaltes von Zeugenaussagen aber auch generell um Fragen der “Beweisprüfung”. Da sich diese Wahrheit nicht nur juristisch beurteilen lässt, führen die Ausführungen tief in die Aussagenpsychologie. Der Band zielt zwar eher auf den Strafprozess, doch lassen sich die hier dargestellten Inhalte unter Beachtung des Besonderheiten auch in anderen Verfahrensarten fruchtbar machen. Die Neuauflage der beiden neuen Autoren konzentriert sich auf das Wesentliche und befindet sich auf dem aktuellen Stand. Die Autoren haben den Band durchgehend aktualisiert, aber auch neue Akzente und Schwerpunkte gesetzt. Dies betrifft etwa für den Verwaltungsprozess die Vernehmung in Asylsachen, da die Flüchtlingskrise die Thematik der Vernehmung von Parteien und Zeugen aus anderen Kulturkreisen vertieft aufgeworfen, gerade auch unter dem Aspekt der Einbeziehung von Dolmetscherübersetzungen in die Wahrheitsfindung. Die diesbezüglichen Ausführungen haben die Autoren deutlich erweitert, aber auch andere Schwerpunkte gesetzt. Einer davon liegt bei Irrtumslehre und beim Einfluss von Alkoholisierung auf die Wahrnehmung.

In einem zweiten Teil wird – nach einer Einführung in die Thematik – der Einfluss des Irrtums auf die Wahrheitsfindung behandelt, etwa hinsichtlich einer Wahrnehmungsverfälschung oder Fehlern in der Wiedergabesituation.  Zwischen Irrtum und Lüge ist oftmals nur eine dünne rote Linie, da die Wahrnehmung täuschen und kann auch Selbsttäuschungen nicht ausgeschlossen werden können, so dass völlig fehlerfreie Aussagen selten sind. Daher werden Kriterien erarbeitet, den Irrtum von der bewussten Lüge abzugrenzen: “Der Lügner will nicht die Wahrheit sagen, der Irrende kann es nicht, auch wenn er noch so sehr die Wahrheit sagen will”. Dieser Teil führt intensiv in die Aussagenanalyse anhand von Realitätskriterien ein. Anhand zahlreicher Fallbeispielen entwickeln die Autoren in Teil C. – ausgehend von der Nullhypothese (BGH, NJW 1999, 2746) – Kriterien für eine Unzuverlässigkeit einer Aussage, die es erlauben festzustellen, wann einem Zeugen geglaubt werden kann und wann nicht. Es wird deutlich darauf hingewiesen, dass kein Richter einem Zeugen glauben muss. Selbstrendend ist diese Methode nicht „mathematisch“ exakt, aber in der Praxis sehr zuverlässig.

Teil E behandelt die Beweislehre und erörtert zunächst die Grundsätze der Beweislehre, um sodann den Indizienbeweis zu erörtern und hierfür Prüfkriterien zu erarbeiten. Da hier viel von Wahrscheinlichkeitskalkülen abhängt, werden die derzeit aktuellen Beweistheorien Ansatz für Ansatz diskutiert, wobei auch mathematische Ansätze unter Einschluss der Wahrscheinlichkeitstheorien einbezogen werden.

Der Teil F entwirft eine konkrete Vernehmungslehre, die auch als Handlungsanleitung dienen kann, da zunächst einmal geschildert wird, wie ein erfahrener Vernehmer sich verhalten sollte. Die Verfasser empfehlen insoweit von verschiedenen Szenarien auszugehen und geben Anhaltspunkte zur einzusetzenden Fragetechnik. Diese Ansätze werden in einem weiteren Teil G. auf die Vernehmung im Strafverfahren angewendet, wobei sich allerdings manches auch auf die zivilprozessuale Beweisaufnahme cum grano salis übertragen lässt. Besonderheiten bei Polizisten als Zeugen werden ebenso aufgezeigt, wie der Umgang mit anonymen Zeugen und der nicht seltenen Konstellationen wenn “Aussage gegen Aussage” steht, so dass entschieden werden muss, wem mehr zu glauben ist. Auch der Aspekt des Opferzeugen wird ebenso intensiv einbezogen wie Protokollfragen.

Der Band bietet nach wie vor die beste und kompakteste Übersicht zu allen maßgeblichen Aspekten der Tatsachenfeststellung vor Gericht.

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